Hoehenfieber
gleichzeitig heranwinkte, zog Sadia zögerlich ihren Arm zurück, den sie bereits in Richtung Türknauf ausgestreckt hatte. Mit langsamen Schritten ging sie zu der Sitzgruppe zurück und nahm auf einer Chaiselongue gegenüber Alessas Sessel Platz.
„Warum bist du ohne ein Wort gegangen, Fadi?“
Sadia senkte den Kopf, doch unter den Wimpern ihrer halb geschlossenen Lider hindurch beobachtete sie Alessa. Ihr entging keine Regung des hübschen, jungen Gesichts. Obwohl Sadia nicht hatte lauschen wollen, war sie nun doch von einer brennenden Neugierde erfüllt, und hätte zu gern gewusst, was Fadi antwortete.
„Und wo bist du jetzt?“
„Es tut mit leid , Fadi. Ich habe deiner Mutter versprochen …“
„Nein, das kann ich nicht.“
„Ich … also okay, ich werde mit ihr reden. Aber ich glaube nicht, dass es gut für Sadia wäre. Warum kannst du nicht wieder herkommen?“ Alessas Miene drückte so viel Hoffnung auf eine zustimmende Antwort aus, dass wohl ein Mann, der dieses Mädchen liebte, bei diesem Anblick niemals hätte Nein sagen können, egal, welcher Wunsch dieser Mimik vorangegangen war. Aber Fadi konnte Alessa nicht sehen – und auch nicht, wie sich ihre Züge quälend langsam verwandelten. Alessa verstand Fadis Reaktion nicht, und die Enttäuschung meißelte sich zwischen ihre zusammengezogenen Brauen. „Dann … sehen wir uns wahrscheinlich morgen“, sagte sie mit halb erstickter Stimme.
Sadias Herz zog sich zusammen. Dieses Mädchen liebte ihren Sohn so, wie es sich jede Mutter für ihr Kind wünschte. Das Schlimme war, dass Sadia sich nicht sicher war, ob Fadi es verdiente – oder ob er dieses wundervolle, liebe und hilfsbereite Geschöpf eines Tages furchtbar verletzen würde. Sie hatte Alessa in der kurzen Zeit, die sie sich kannten, bereits sehr lieb gewonnen und wünschte ihr alles Glück der Welt. Umso schmerzhafter würde es sein, wenn ausgerechnet ihr Sohn …
„Ich liebe dich auch, Fadi.“
Na bitte!
Sadia atmete innerlich auf. Fadis vorangegangene Worte könnten auch nur Schein sein, doch sie wollte die Hoffnung nicht aufgeben.
Alessa ließ die Hand mit dem Handy in den Schoß sinken. „Ich soll Ihnen liebe Grüße ausrichten. Fadi sagt, seinem Vater ginge es nicht gut und er habe nach Fadi rufen lassen. Er will ihn über Nacht nicht allein lassen.“
Sadia beugte sich vor. „Ist es etwas Ernstes?“
„Nein, nein. Ihr Sohn sagt, der Sheikh habe leichte Herzprobleme, aber der Arzt sei schon dagewesen und meinte, dass es nur wegen der Aufregung sei.“
Einerseits bewunderte Sadia Fadis Pflichtbewusstsein und seinen Gehorsam. Doch Rashad hatte ein Heer von Dienern um sich und war nicht auf die Gesellschaft seines Sohnes angewiesen. Fadi gehörte – wenn schon nicht an die Seite seiner Mutter – dann doch wenigstens an die Seite seiner Verlobten.
„Er hat dich gebeten, in den Palazzo zurückzukehren, nicht wahr?“
Alessa nickte. „Ja. Er hat auch vorgeschlagen, dafür zu sorgen, dass Sie unbehelligt von Rashad einen Raum in einem Seitenflügel beziehen können und nicht in den Harem zurückzukehren brauchen.“
Sadia zuckte ungewollt zusammen. So verlockend es sich anhörte, in ihren gewohnten Lebensraum zurückzukehren, so sehr schreckte sie davor zurück.
Alessa legte beruhigend eine Hand auf Sadias Arm. „Ich habe bereits beschlossen, dass ich hierbleibe. Wir lassen alles auf uns zukommen und dann werden wir sehen, wie es weitergeht. Okay, Sadia?“
Sie schluckte an einem Kloß in ihrem Hals, nahm Alessas Finger zwischen die Hände und nickte. Anders als mit festem Druck konnte sie im Moment ihre Dankbarkeit nicht ausdrücken.
Vielleicht wäre sie auch in Tränen ausgebrochen.
Alessa – das fremde Mädchen mit dem niedlichen Akzent – gab ihr gerade mehr Kraft als ihre Geschwister und ihre Mutter zusammen. Hätte sie die Zeit in deren Gesellschaft verbringen müssen, wären die Gespräche schnell in die Richtung abgedriftet, wo sie immer landeten: b ei dem Unverständnis ihrer Familie gegenüber Rashads Lebensweise. Nun, auch wenn sie ihnen mit der Flucht aus dem Harem den Wind aus den Segeln nahm, sie würden wahrscheinlich nichts lieber tun, als sie einem rauschenden Wasserfall gleich mit Worten in ihrer Entscheidung zu bestärken und gleichzeitig damit beginnen, ihr neues Leben zu planen. So waren sie, da spielte die momentane Situation keine Rolle. Sie würden das Thema allein schon dankbar als Ablenkung aufgreifen.
Dabei wollte Sadia im
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