Hoehenfieber
das Flugzeug befohlen hatte. Kuba. Ein Land, das ihr so fremd wie fern erschien.
Obwohl Sadia regelmäßig durch sämtliche nationalen und internationalen Nachrichtenkanäle zappte, fanden sich nicht mehr als Spekulationen der Redaktionen, denn aus dem Inselstaat drangen keine Informationen heraus, nicht einmal über irgendeinen Untergrund oder das Internet.
Sadia massierte sich die schmerzenden Schläfen. Kleinlaut hatte Anwalt erläutert, dass der Detektiv, den er mit der Suche beauftragt hatte, sich vermutlich auf zwei Auftraggeber eingelassen hatte. Ziad hatte ein Honorar von einer Million Dollar geboten, die zweite Partei musste deutlich mehr Geld ins Spiel gebracht haben, denn der Anwalt versicherte, einen bis dato absolut zuverlässigen und seriösen Detektiv mit weitreichenden Kontakten und besonders guter Erfolgsquote beauftragt zu haben. Seither zermarterte sich Sadia den Kopf. Es konnte nur der Sheikh dahinterstecken, sie fand keinen Anhaltspunkt für eine andere Annahme. Aber wie weit war Fadi eingebunden und informiert?
Er hatte ihr noch vor Ziad mitgeteilt, wann Latifas Flug ging. Selbst wenn es daran lag, dass es für ihren Bruder immer schwer war, ihr heimliche Nachrichten überbringen zu lassen, bewies es, dass Fadi Bescheid wusste. Er musste Rashads Pläne kennen.
„Latifa kann jederzeit nach Hause zurückkehren. Ihr wird nichts passieren, dafür werde ich ebenfalls sorgen, denn ich weiß, wie sehr dich ihr Verlust quält.“
Spielte ihr Sohn mit offenen Karten? Sadia presste die Hände auf ihren Bauch, weil sie das Gefühl hatte, innerlich zu zerreißen.
Es tat weh, kein Vertrauen in das eigene Kind zu besitzen. Fadi stand seit Jahren unter dem Einfluss seines Vaters – und der hätte den besten Charakter verdorben, selbst wenn dieser nicht bereits zur Hälfte die Erbanlagen in sich getragen hätte. Seit Fadi ein kleiner Junge gewesen war, hatte er sich vollkommen verändert, beinahe so sehr, dass sie in ihm nicht einmal mehr ihr eigen Fleisch und Blut erkannte. Dieses Wissen brannte seit einer Ewigkeit in ihrem Innersten und hatte beinahe jedes Gefühl weggeätzt.
Als Fadi sie zu dem Gespräch in den Roten Salon gerufen hatte, waren für eine Zeit lang die alten Hoffnungen und Gefühle aus ihr hervorgebrochen – eigentlich nur eine Ahnung davon, denn das Zutrauen in eine positive Zukunft hatte sie längst verloren.
Warum entzog er sich einem Gespräch?
Spielte er ein falsches Spiel? Und was war mit Alessa?
Dass Alessa von den Plänen ihres Sohnes und des Sheikhs auch nur eine Ahnung hatte, schloss Sadia aus. Es wäre für das Mädchen eine Katastrophe, wenn sich herausstellte, dass Fadi in die Fußstapfen seines Vaters trat und ihr ein ähnliches Schicksal blühte wie Sadia oder dem, das Rashad sich für Latifa ausmalte.
Durfte sie darauf vertrauen, dass Fadi ihr sein wahres Gesicht zeigte und dass er eine Beeinflussung durch Rashad nur nach außen hin vorgab? Seine Mimik hatte ehrlich gewirkt, offen und vertraut, so, wie sie ihren Jungen in Erinnerung behalten hatte. Seitdem waren Jahre vergangen.
Viel Zeit, um dem Einfluss eines Tyrannen zu erliegen.
Gerade die wichtigen Jahre während der Pubertät mussten in Fadi prägende Eindrücke hinterlassen haben und sie, die leibliche Mutter, wusste nichts über ihr Kind. Rein gar nichts, außer dem wenigen, was die Huren im Harem erzählten. Zwar war es strengstens verboten, über den Sheikh und jegliches Geschehen, das sich hinter verschlossenen Türen im Palazzo abspielte, zu sprechen, aber hinter vorgehaltener Hand gab es dennoch die eine oder andere Tuschelei.
Nein, so gern sie auf das Gute hoffte, sie durfte nicht leichtgläubig sein.
Alessas Mobiltelefon klingelte. Als hätte sie es bereits die ganze Zeit in den Fingern gehalten, lag es nach nur einmaligem Klingelton an ihrem Ohr.
„Fadi“, hauchte sie. „Endlich.“ Sie lauschte und gab Sadia mit einem leisen Kopfschütteln zu verstehen, dass Fadi nicht anrief, um ihnen eine erlösende Mitteilung zu machen.
Sadia änderte ihren unruhigen Parcours von Wand zu Wand und ging in Richtung Tür. Bei einem privaten Gespräch wollte sie nicht stören, und was sich die beiden zu sagen hatten, ging sie nichts an, sofern es nicht um Latifas Entführung ging. Trotzdem wog jeder ihrer Schritte schwer wie Blei.
„Sadia, warten Sie. Sie brauchen sich nicht zurückzuziehen.“
Sie wandte sich zu der jungen Frau um.
„Ehrlich nicht“, fügte Alessa hinzu.
Weil Alessa sie
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