Hoehenfieber
Moment nur eines, und das ganz schnell: Latifa unversehrt in die Arme schließen und sie an ihr Herz drücken.
*
Als Quinn zu sich kam, fiel ein schmaler Lichtstreifen durch die überlappenden Eingangsplanen und auch durch die Zeltwände schimmerte Helligkeit. Abrupt richtete sie sich auf. Es war schon Tag!
Der Schock spülte neue Tränen über ihr Gesicht, dessen Haut sich gespannt und trocken anfühlte. Wie gehetzt blickte sie sich um und versuchte, aufzuspringen, aber ein fester Griff hielt sie zurück.
„Leise! Sonst kommen die Soldaten und verteilen Tritte.“
Quinn suchte weiterhin fieberhaft unter den zusammengekauerten Personen. Sie presste sich beide Hände auf den Magen und unterdrückte ein Würgen.
Sie waren nicht da!
Vanita nicht, Virge nicht und auch nicht Dix, Nash oder der Gefangene.
„Hat … ist niemand außer mir letzte Nacht hergebracht worden?“
Carina schüttelte den Kopf. „Hier!“ Sie reichte ihr eine Wasserflasche, die noch zu einem Viertel gefüllt war. „Trinken Sie. Wenigstens Wasser haben sie reichlich bereitgestellt.“ Sie nickte in Richtung des Zelteingangs und Quinn ließ ihren Blick in die Richtung folgen.
Neben dem Eingang stapelten sich einige Sixpacks Wasserflaschen bis fast an die Zeltdecke. Quinn sah sich verstohlen um und ihr Entsetzen wuchs. Die notdürftigen Verbände, die ein paar Wenige um die Köpfe, Arme oder Beine trugen, bestanden nicht aus Mull, sondern aus zerrissenen Kleiderstücken. Die Kubaner hatten nicht ansatzweise Erste Hilfe geleistet. Gott, sie hatten den Menschen nichts als Wasser zur Verfügung gestellt. Keine ärztliche Versorgung. Kein Verbandsmaterial, Schmerzmittel. Etwas zu essen. Die Bruchlandung musste bald achtundvierzig Stunden her sein.
Ihr Augenmerk schweifte erneut über die Passagiere. Quinn erkannte ein paar der Flugbegleiter, doch sie entdeckte den Kapitän nirgendwo. War der Pilot bei dem Crash umgekommen? Mit Schaudern dachte sie an das Flugzeug, dessen Nase eine tiefe Furche in das Erdreich gegraben hatte. Vielleicht lagen Sullivan und der Copilot tot in ihren Sitzen.
Das plötzliche Geräusch eines gestarteten Motors ließ Quinn zusammenzucken. Hastig setzte sie die Flasche ab und wischte sich über Mund und Kinn. Ein Lastwagen fuhr ab. Männerstimmen und feste Stiefeltritte steigerten sich zu hektischer Betriebsamkeit. Sie verstand keines der spanischen Worte, aber die dumpfen Töne wären wahrscheinlich auch in Englisch nicht verständlich gewesen.
Andere Passagiere rappelten sich auf, stellten sich in Gruppen zusammen. Quinn erhob sich mit Carinas Unterstützung ebenfalls. Würden die Soldaten jetzt verschwinden und sie zurücklassen? Wenn sie der Belagerung und diesem Zelt entkommen würden, ließe sich bestimmt ein Weg finden, um Hilfe zu holen. Es konnte sich nicht ein ganzer Staat gegen sie verschworen haben und sie in dieser Einöde sich selbst überlassen. Es müsste längst einer breiten Öffentlichkeit bekannt sein, dass das Flugzeug entführt worden war und Behörden sowie die Fluggesellschaft musste doch wohl wissen, wohin die Maschine geflogen war. Da sollte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn nicht mit Hochdruck in diesem Fall ermittelt würde.
Die Sonnenstrahlen prallten unbarmherzig auf das Zeltdach und erhitzen es von Minute zu Minute. Die Luft schmeckte abgestanden und dick, es stank nach jeglicher Körperausdünstung. Das Atmen geriet zur Qual, aber Luftanhalten nutzte nichts. Irgendwann schaltete das Gehirn automatisch auf Notfallfunktion um und zwang den Willen nieder.
Quinn brütete stumpf vor sich hin und fixierte den Zelteingang, also könnte sie erzwingen, dass sich die Planen auseinanderschoben und Van und die Männer hereingeführt wurden.
Wenn doch nur Virgin bei ihr wäre. Sie versuchte, sich den Geruch nach Ziege und Stroh in Erinnerung zu rufen, der ihr im Vergleich zum Zelt wie ein Gianni Versace Duft vorkam. Wahrscheinlich würde sich der italienische Modeschöpfer im Grabe herumdrehen, würde er ihre Gedanken kennen.
Noch mehr wirre Überlegungen zogen ihr durch den Kopf. Sie musste sich irgendwie ablenken, sonst würde sie der nicht sehr weit unter der Oberfläche ihrer Selbstbeherrschung rumorenden Panik gestatten, ihre Kehle heraufzusteigen und sie würde daran noch schneller ersticken als an der Luft im Zelt.
Dass das Militär die Menschen zusammenpferchte und gefangen hielt, war nicht gut. Gar nicht gut!
Sie betrachtete die umstehenden Passagiere. Es waren etwa zu
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