Hoehenfieber
Sollte er sich und seine Kinder eigenständig adeln, Hauptsache, den einträglichen Geschäften mit seinem Öl stand nichts im Wege.
Ihr Blick huschte zu dem Porträt über dem Kamin. Beinahe in jedem Raum hing ein Gemälde von Abd al-Aziz ibn Abd ar-Rahman ibn Faisal Al Saud. Der erste König des modernen Saudi-Arabiens, in dessen Harem Schätzungen zufolge über dreitausend Frauen gelebt haben sollten, stellte das auf einen meterhohen Sockel emporgehobene Idol von Rashad dar.
„Warum hast du mich rufen lassen, Fadi?“ Sie vermisste einen zärtlichen Ausdruck auf seinem Gesicht, eine sanfte Berührung, wenigstens einen Händedruck.
„Ich wollte dir meine Verlobte vorstellen.“ Er hob sein Glas und prostete ihnen zu. Nachdem er einen Schluck getrunken hatte, legte Fadi einen Arm um Alessas Schultern und zog sie zu sich heran.
Sadia glaubte, der Boden würde ihr unter den Füßen weggerissen. Sie wollte schreien, ein lang gezogenes Nein ausstoßen, doch sie blieb stumm.
Ihr Sohn küsste Alessa auf die Stirn. „Lässt du uns bitte einen Moment allein?“
Alessa nickte und entfernte sich.
Nichts wollte die Starre aufweichen, in der sich Sadia gefangen fühlte. Fadi wartete, bis sich die Tür hinter Alessa schloss.
Er trat auf sie zu. Der große, schlanke Mann, der ihr gegenüberstand, wollte nicht mit dem Bild ihres geliebten Sohnes übereinstimmen und sie fragte sich, wie es möglich war, sich als Mutter derart zerrissen zu fühlen. Sie schloss die Augen und drängte mit Gewalt aufsteigende Tränen zurück.
„Vater hat im Nordwesten des Areals einige neue Gebäude errichten lassen.“ Fadi schob einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich.
Der Boden schwankte. Die Luft im Raum wandelte sich in ein Vakuum. Ein Wechselbad der Gefühle flutete Sadias Innerstes, rieb sie auf, rauschte als pures Glück durch sie hindurch, um im Moment darauf durch Angst erstickt zu werden. Zu lange hatte sie ihren Sohn nicht mehr berührt, seine Nähe gespürt, seine Zuneigung genossen. Die plötzliche Wende kam zu überraschend, warf zu viel Hoffnung auf, als dass sie sich traute, daran zu glauben.
„Mutter“, sagte Fadi und seine Stimme klang zärtlich, „möchtest du dich setzen?“ Sanft schob er sie zu einem Sofa und hielt ihre Hand, bis sie Platz genommen hatte. Er glitt neben sie und legte beinahe schüchtern einen Arm um ihre Schultern. Fadi wiederholte, was er gerade gesagt hatte, ohne dass sie die Worte in einen Sinn umwandeln konnte.
Sie fühlte sich weiterhin gelähmt unter der ungewohnten Nähe, obwohl sie seit Jahren nichts sehnlicher herbeiwünschte, als ihren Sohn und ihre Tochter in den Armen zu halten oder umarmt zu werden. Trotz ihrer jahrelang eingeübten Zurückhaltung und der Beherrschung ihrer Gefühle gelang es Sadia nicht, ihre Tränen zurückzuhalten. Sie flossen über ihre Wangen, ehe sie es schaffte, die Hände vor die Augen zu drücken.
Fadi zog sie näher an sich, griff in seine Hosentasche und holte ein blütenweißes Taschentuch hervor. „Bitte beruhige dich. Rashad ist aus dem Haus, aber uns bleibt nicht viel Zeit.“
Ihr Herz wollte aus der Brust springen. Was redete Fadi da? Er hatte dieses Treffen eingerichtet, ohne dass der Sheikh etwas davon mitbekommen sollte? Sie tupfte sich die Tränen ab und presste das Taschentuch an die Nase. Ein wohliger Schauder überlief ihre Haut, als Fadis Finger zärtlich über ihren Arm strichen.
„Ich weiß, es kommt überraschend. Irgendwann werden wir Gelegenheit haben, über alles zu sprechen, Mutter. Im Moment bitte ich dich nur um eines: Vertrau mir.“
Sie schaffte es noch immer nicht, ihn anzusehen. Ihre Augen schwammen in Tränen und der Fluss würde erneut beginnen und nicht mehr aufhören, wenn sie tatsächlich einen Funken Zuneigung in seinem Ausdruck erkennen sollte. Ihr Herz wollte es so sehr, aber ihr Körper reagierte weiterhin mit Starre.
„Ich muss mich kurzfassen, Mutter. Ich werde in Kürze Alessa heiraten und will mit ihr und dir die neuen Gebäude im Nordwestteil beziehen.“
Sadia schnappte nach Luft. Ihr schwindelte und das Gefühl einer nahenden Ohnmacht trieb schwarze Flecken vor ihre Augen.
Fadi drückte sie fester. „Nicht“, meinte er nur leise und strich ihr erneut sanft über den Arm. „Ich werde zwar einen Harem anlegen, weil Rashad es wünscht, aber die Damen werden nicht das Bett mit mir teilen. Ich liebe allein Alessa und dabei wird es bleiben. Nur muss ich Vaters Wunsch folgen, damit er nicht
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