Hoehenfieber
lautlos den Satz: „Lass uns umkehren.“
Ausgerechnet das gab ihr Mut. So ein ausgemachter Blödsinn. Gerade noch hatte sie den Privatdetektiv bitten wollen, dem Fahrer zu sagen, er möge den Radiosender wechseln, da überkam sie ein Anflug von Übermut. Sie sang den Refrain mit und wischte das ungute Gefühl kurzerhand beiseite. Dummer Aberglaube. Sie würde sich weder beeinflussen noch verunsichern lassen. Saids Familie würde entsprechende Vorkehrungen getroffen haben, die Vanitas und ihre Sicherheit besser garantierten, als es bei einem Staatsbesuch von Barack Obama der Fall gewesen wäre.
Der Privatdetektiv grinste breit. Seit Samstagnachmittag war er nicht mehr von ihren Seiten gewichen, doch ihre Wege würden sich in wenigen Minuten trennen.
Nachdem auch Vanita sich nach dem Auftauchen des Mannes von der Echtheit des Ohrrings überzeugt hatte, war ihnen beiden klar gewesen, wie sie sich zu verhalten hatten. Damals, nach ihrer Flucht aus Dubai, war alles genau abgesprochen worden. Sollte irgendwann eine Rückkehr nötig sein, würde ein Vertrauter geschickt werden, der sich mit dem Schmuckstück auswies und alle erforderlichen Schritte einleitete. Der Grund würde sich aus einem Brief ergeben. Dass Sheikh Said bei einem Unfall ums Leben gekommen war, schmerzte, doch sie hatten gewusst, eines Tages würde es nur einen traurigen Grund für dieses Szenario geben.
Eine Gefahr für Vanita und sie musste sich aber nicht zwangsläufig ergeben. Sie hätten sich auch ohne die finanzielle Unterstützung durchgeschlagen, nur war es auf dem bisherigen Weg ungleich einfacher und bequemer. Wenngleich sie das hinnahm und – zugegebenermaßen – auskostete, hätte es ihr nichts ausgemacht, auf die Zuwendung zu verzichten. Kein Geld der Welt konnte ihre Freiheit aufwiegen.
Und außerdem war sie nicht für ein Leben in Reichtum geboren. Erst recht nicht in grenzenlosem Pomp und widerwärtiger Verschwendungssucht. Dass sie in ihrem neuen Leben zumindest davon weit entfernt waren, machte die Situation erträglich. Außerdem kam das Geld nicht von Sheikh Rashad und auch andere gut situierte Familien finanzierten ihren Sprösslingen das Studium. Damit gehörten Vanita und sie zwar immer noch zu einer Gruppe von Privilegierten, doch ganz so klein war diese nicht, wenn man mal hinter die Kulissen blickte. Wie oft hatten sie darüber diskutiert, welche Studenten schamloser waren? Diejenigen, die das Geld ihrer Eltern nahmen, denen es nichts ausmachte, die Summen aufzubringen, oder jene, deren Eltern oder Großeltern ihre Häuser oder Grundstücke verkauften, die Werke ihres Lebens, um den Sprösslingen die Zukunft zu finanzieren? Viele der Ersteren würden ihre Sonderstellung nicht mal zu schätzen wissen.
Vanita und sie verbrauchten nur so viel Geld, um über die Runden zu kommen und unterstützten darüber hinaus soziale und gemeinnützige Projekte. Zumindest das verschaffte ihr etwas Erleichterung, wenn sie an den maßlosen Reichtum des Sheikhs dachte. Manche Menschen glaubten, man könne niemals zu viel Geld besitzen. Quinn war da anderer Meinung. Egal, von was man zu viel hatte – irgendwann hing es einem zu den Ohren raus und Geld machte keine Ausnahme.
Im Gegenteil. Sie hatte zu lange nicht nur in einem goldenen, sondern in einem diamantenen Käfig gesessen und anschließend das echte Leben kennengelernt. Niemals wieder würde sie tauschen, obwohl wahrscheinlich die meisten Menschen sie für verrückt erklären würden. Aber die kannten eben auch nicht die andere Seite, eine, bei der Geld nicht mehr nur ein angenehmes Leben sicherte, sondern sich in unermesslicher Dekadenz verlor.
Quinn vernahm nun doch mit einiger Erleichterung den Ausklang des Songs. Ihre Gedanken kehrten zu Samstagnachmittag zurück.
Ihre Reisetaschen hatten für eine schnelle Flucht gepackt in den Schränken gestanden, und so waren sie Minuten nach Hiobs Erscheinen aufgebrochen, hatten die Nacht zu Sonntag in einem Hotel in Long Beach verbracht und die beiden darauf folgenden in jeweils anderen Unterkünften.
Sie fühlte sich ruhiger als Vanita, die immer wieder nach Quinns Fingern tastete, um sich durch einen Händedruck beruhigen zu lassen.
Der Taxifahrer öffnete die Tür und warme Luft flutete den Innenraum des Wagens. Quinn nahm ihre Handtasche und rutschte über die Sitzbank.
Vanita hielt sie am Arm fest. „Es ist die letzte Möglichkeit, uns anders zu entscheiden“, sagte sie eindringlich. „Denkst du wirklich, wir tun das
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