Hoehenfieber
wartete, bis der Leibwächter ihr beim Einsteigen in den Golfwagen half. Alessa kletterte selbstständig hinein.
Zum Palazzo zu laufen hätte in der Hitze zu lange gedauert. Sie hob ihr Gesicht den feinen Wassertröpfchen entgegen, die für einen viel zu kurzen Moment ihre Haut benetzten, als sie an einem prachtvollen Springbrunnen vorbeifuhren. Zur Linken lag die Golfanlage, zur Rechten fingen die hell getünchten Fassaden von sechs großen Gästehäusern die Glut der untergehenden Sonne ein.
Das Haupthaus des Sheikhs war von hier aus noch nicht zu sehen. Er hatte es vor fünfundzwanzig Jahren im Stil eines italienischen Palastes errichten lassen und Sadia hatte noch nie jeden der insgesamt neunzig Räume betreten.
Damals lebten ihre Träume noch.
Rashad hatte ihr als seiner ersten Ehefrau ein Heim bauen wollen – obwohl sie dem italienischen Flair nichts abgewinnen konnte, doch das hatte sie ihm nie gesagt. Sie hatte geglaubt, das Leben gemeinsam mit ihm fortzuführen, in dem sie sich kennengelernt hatten: Er ein Absolvent des Pariser Universitätszentrums Varenne-Saint-Hilaire , wo er gerade sein Studium in Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen hatte; sie stand kurz vor ihrem Studienabschluss der Schauspielkunst an der Sorbonne Nouvell . Sie liebte Frankreich und hätte sich für den Rest ihres Lebens einen dauerhaften Aufenthalt während der Sommermonate vorstellen können.
Monatelang hatte sie geglaubt, in Rashad einen ihrer Familie gleichgesinnten, modernen und gebildeten Zeitgenossen zu sehen und erst nach ihrer Hochzeit offenbarte sich nach und nach seine wahre Persönlichkeit, doch da war es längst zu spät gewesen. Sie war schwanger und fand sich angekettet im goldenen Käfig.
Latifa kam zur Welt, und weil Sadia Rashad keinen Sohn geschenkt hatte, nahm er sich eine zweite Ehefrau.
Schon bald folgten Nummer drei und vier, die ihm im Laufe der Jahre etliche Söhne gebaren und auch eine Reihe Töchter. Im vierten Jahr ihrer Ehe war Sadia wieder schwanger geworden und Prinz Fadi kam zur Welt. Als Sohn der ersten Ehefrau nahm er den Rang des Kronprinzen ein und sie zog sich die Feindschaft der Nebenfrauen zu, deren ältere Söhne nun den Kürzeren zogen. Aufgrund der Spitzfindigkeiten der Frauen gesellte sich die Ablehnung des kompletten Harems hinzu, dass sich Rashad mit bis heute anhaltender Wachstumstendenz unterhielt.
Das einzig Positive bestand darin, dass sie seit Fadis Geburt nie wieder Rashads Bett hatte teilen müssen. Es kam ihr nicht ungelegen – denn neben der Abneigung, ihn mit anderen Frauen teilen zu müssen, konnte sie auch mit seiner Dark-Room-Vorliebe, wie er es nannte, nichts anfangen. Sie verstand nicht, warum er nur noch in tiefster Dunkelheit „auf Touren kam“. Sie hingegen hatte die Liebe bei Licht und mit all ihren Schatten viel mehr genossen, als dieser merkwürdige Fetisch es ihr je geben konnte.
Das glanzvolle Portal kam näher, während der Leibwächter schweigend die gewundenen Wege des vor Jahrzehnten angelegten Hügels zum Palazzo hinaufsteuerte. Nur Rashad und Fadi wohnten dort und Sadia fragte sich, ob sich Vater und Sohn in der Weite des Gebäudes überhaupt jemals begegneten. Andererseits mussten sie eine enge Bindung zueinander haben, denn Fadi hatte immer mehr von Rashads Zügen angenommen. Etwas, woran sie nie hatte glauben wollen.
Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie an den wohlerzogenen und beinahe schüchternen kleinen Jungen dachte, der sich so gern an ihre Hüften schmiegte und mit ihr den Sonnenuntergang beobachtete. Bis Rashad ihn mit zwölf Jahren zu sich in den Palazzo holte. Mit der Zeit sah sie ihn immer seltener. Ihre eigenen Räumlichkeiten lagen einen Kilometer hinter dem Haupthaus im Harem, der in seiner Komplexität einem kleinen Stadtteil glich. Er lag hermetisch abgeschirmt von der geschäftigen Metropole und weder für die weiteren Ehefrauen des Sheikhs, die Huren im Harem noch für die Eunuchen gab es einen ungehinderten Weg herein oder hinaus. Für einen Fremden war ein Einblick gänzlich unmöglich.
Fadis Besuche waren immer seltener geworden und hörten irgendwann auf. Damals war er vierzehn und Latifa gerade achtzehn geworden. Sadia hatte nicht glauben wollen, was ihre Brüder Said und Ziad seit Jahren predigten. Blind und taub hatte sie sich gestellt, doch sie dankte Allah, wenigstens die Vernunft aufgebracht zu haben, Said zuzustimmen, und Latifa heimlich aus dem Land bringen zu lassen.
Jetzt konnte sie ihre Tränen nicht
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