Hoehenfieber
anfängt, mir zu misstrauen.“
Sadia versuchte, die Worte in ihre aufgewühlte Gedankenwelt einzuordnen. Unglaube, Überraschung und der Wunsch, endlich den wahren Fadi wiedergefunden zu haben, tobten in ihrem Innersten. Sie brachte keinen Ton über die Lippen, doch endlich gelang es ihr, Fadis Blick zu erwidern. Sein Lächeln erreichte das dunkle Braun seiner Iriden und ließ Goldfünkchen darin tanzen.
Sadia schnappte nach Luft. Das war ihr Fadi. Wann hatte sie diesen Blick zuletzt gesehen? Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Diesen Tag hatte sie erträumt, so lange, und nun endlich war er gekommen.
Alessa musste das Wunder vollbracht haben. Sie schloss das Mädchen tief in ihr Herz. Ein Leben lang würde sie ihr dankbar sein.
„Du wirst es gut bei uns haben, Mutter. Und nicht nur du.“
Sadia presste sich das Taschentuch vor die Augen. Wenn sie verheult aus dem Palazzo käme und irgendwelche Angestellten sie sahen, würde sich Fadi unangenehmen Fragen des Sheikhs stellen müssen. Das durfte auf keinen Fall geschehen.
Ihr Blick hing an seinen Lippen, als er weitersprach.
„Latifa kann jederzeit nach Hause zurückkehren. Ihr wird nichts passieren, dafür werde ich ebenfalls sorgen, denn ich weiß, wie sehr dich ihr Verlust quält.“
Dieses Mal war es ein Schrei, den Sadia nicht unterdrücken konnte. Mit rauer Gewalt pressten sich die Tränen aus ihren Augen, unaufhaltbar, ein Strom viel zu lange unterdrückter Gefühle.
Sie barg ihr Gesicht an Fadis Brust, verstand nicht die Worte, die er beruhigend murmelte. Die Zärtlichkeit half nach einer Weile, sich zu beruhigen, erst recht, als Fadi sie leise, doch mit sanftem Nachdruck an Rashads baldige Rückkehr erinnerte.
„Ich habe einen Anwalt mit der Suche nach Latifa beauftragt. Es wird alles gut werden, glaub mir.“ Fadi stand auf, ergriff ihre Hände und zog Sadia in den Stand.
Seine starken Arme schlossen sich um ihren Oberkörper. Er zog sie an sich, legte seine Hand auf ihren Hinterkopf und drückte ihn sanft an seine Brust.
Sadia atmete tief durch. Nur noch einen Moment seine Nähe genießen, sich an seinen Körper anlehnen, das Glücksgefühl auskosten, ihren Sohn in den Armen zu halten.
„Latifas und Fatmas Flug geht am Dienstag“, sagte Fadi.
Sadia war, als risse der Boden ihr die Füße weg. Hätte Fadi sie nicht festgehalten, wäre sie zusammengeklappt.
„Es wird alles gut“, flüsterte er nah an ihrem Ohr. „Ich weiß, wie sehr du aus der Fassung bist, aber bitte glaub mir. Latifa wird in Sicherheit sein. Ich werde dafür sorgen, dass ihr niemals etwas zustößt. Der Sheikh wird sie nicht gegen ihren Willen verheiraten.“
Die Gedanken in Sadias Kopf verworren sich zu einem wirren Knäuel. Sie schaffte es nicht mehr, einen klaren Gedanken zu fassen.
„Es tut mir leid, Mutter. Du musst jetzt gehen.“ Fadis Lippen strichen zärtlich über ihre Stirn. Langsam ließ er sie los.
Er blieb zurück, während sie wie in Trance auf die Tür zuging. Sadia drehte sich nicht um, sie wusste, würde sie Fadi einen letzten Blick zuwerfen, wäre es um ihre mühsam beherrschte Fassung geschehen.
Zum ersten Mal in ihrem Leben bedauerte sie, keinen Schleier zu tragen. Wenigstens hätte sie dahinter den Aufruhr ihrer Gefühle verbergen können und müsste nicht gewaltsam jede Regung ihrer Gesichtsmuskeln in eine eiserne Maske pressen.
Während sie durch den langen Flur in Richtung Ausgang des Palazzos eilte, hätte sie beinahe die Stimme ihres Vertrauten Majid überhört. Aufgewühlt hielt sie inne.
Der Bedienstete verneigte sich, fasste nach ihrer Hand, drückte sie und ließ sie gleich wieder los.
Sie wünschte, er hätte ihre Finger länger festgehalten. Menschliche Wärme vermisste sie am meisten und gerade jetzt brauchte sie dringend jemanden, der ihr Halt gab.
„Es tut mir leid, es gibt noch keine Neuigkeiten von Ihrem Bruder“, informierte Majid sie leise.
Dienstag, 27. September, Los Angeles
H ilfe! Ausgerechnet der Song Harem von Sarah Brightman lief im Radio, als Quinn mit Vanita und dem Privatdetektiv am frühen Morgen in ein Taxi stieg, das sie nach Orange County zum John Wayne International Airport fuhr. Obwohl sie geschworen hatte, sich durch nichts ängstigen zu lassen, lief ihr eine Gänsehaut über den Körper. Wenn etwas ein schlechtes Omen ausdrückte, dann wohl der Text Welcome to my Harem ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt.
Ihr Blick suchte den ihrer Freundin. Vanita glich einem Gespenst. Ihre Lippen formten
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