Hoehenfieber
Weise bereits fünfzehn oder sogar zwanzig Uhren zählten.
Andere spotteten über die berühmt-berüchtigte Briefmarkensammlung, aber er konnte zumindest Uhren vorweisen. Wenn sich das nicht mal als einfallsreiche Masche herausstellen würde …
Er drehte sich zur Seite und suchte im hinteren Bereich des Terminals nach einer Uhr. Resigniert gab er auf. Offenbar wollten die Flughafenbetreiber nicht, dass die Passagiere sich allzu leicht über Verspätungen oder lange Wartezeiten an den Schaltern mokieren konnten.
Sein Blick steifte einen blauschwarzen Haarschopf mit einer frechen Kurzhaarfrisur. Die junge Frau hob den Kopf, als hätte sie sein Interesse gespürt. Kohlrabenschwarze Augen musterten ihn nicht weniger unverhohlen. Beinahe glaubte Virge, ein spöttisches Aufblitzen gesehen zu haben, bevor sich die Schönheit wieder ihrer Freundin zuwandte. „Du verpasst etwas“, sagte er aus dem Bauch heraus, ohne die Lippen zu bewegen und wusste nicht, ob er sich damit meinte oder die Schwarzhaarige. Als hätte sie ihn gehört, wirbelte ihr Kopf nochmals in seine Richtung und ein undurchsichtiger Blick unter zusammengezogenen Augenbrauen traf ihn. Unmöglich! Sie konnte ihn nicht gehört haben. Seine Gabe, so leise zu sprechen, dass ein Gesprächspartner in unmittelbarer Nähe glaubte, einen kleinen Mann im Ohr sitzen zu haben, der ihm eigene Gedanken einflüsterte, hatte er dank der Kombination mit seiner Bauchrednerkunst perfektioniert. Dennoch schoss ihm ein heißer Schauder über die Haut. Auf diese Entfernung war es unmöglich, seine Stimme zu vernehmen, die Schöne stand zu weit entfernt.
Bevor sich Virgin weitere Gedanken machen konnte, brach in der Nähe des Ausgangs Unruhe aus. Einige Frauen stießen spitze Schreie aus, jemand rief um Hilfe, ein anderer forderte lautstark einen Notarzt. Für einen Moment verebbte das allgegenwärtige Gemurmel, sämtliche Blicke richteten sich auf die Menschentraube. Mehrere Männer beugten sich hinab, knieten offen s ichtlich neben einer Person am Boden.
Ein paar Schritte weiter zückten zwei Zivilbeamte ihre Polizeimarken und hielten sie zwei Männern unter die Nase. Wie aus dem Nichts umringten plötzlich weiteren Polizisten die kleine Gruppe und versperrten Virge den Blick auf die Handlung. Kurz darauf wurden die beiden Männer in Handschellen abgeführt. Virges sah ihnen nach, doch plötzlich erweckte etwas anderes seine Aufmerksamkeit.
Am Rand der Menge stand ein Mann, der seine Rechte vor dem Jackett in der Waagerechten hielt und einen Mantel über den Unterarm gelegt trug. Diese Geste wirkte zu aufgesetzt, um zufällig zu sein. Eher, als würde sich der Kerl vergewissern, ob er seinen Auftrag erfüllt hatte. Er verschmolz mit den Gaffern, damit er nicht auffiel. Die Hand nahe an der Waffe, um sie verschwinden zu lassen oder im Falle einer notwendigen Flucht sofort ziehen zu können. Der kaltschnäuzige Blick signalisierte die Selbstsicherheit des Killers. Er war überzeugt, seine Tat sauber ausgeführt zu haben und nicht beobachtet worden zu sein. Virge hätte sein rechtes Ei verwettet, dass am Boden ein Opfer lag, das wahrscheinlich eine tödliche Schussverletzung aufwies. Die Polizisten hatten die falschen Männer verhaftet. Der echte Killer würde ihnen durch die Lappen gehen.
Die Flughafenpolizei trieb mittlerweile die Schaulustigen fort und Mr. Ich-wars-Nicht ließ sich ebenso missmutig wie einige andere mit lang gestrecktem Hals und halb seitwärts, halb rückwärtsgehend , von den Ordnungskräften in Richtung einer Wartelounge lenken. Der Ablauf war naheliegend. Die Beamten würden die Personalien aufnehmen, nach Zeugen suchen und niemanden finden, der etwas zu dem Geschehen sagen konnte. Vielleicht ein oder zwei Wichtigtuer, die etwas gesehen haben wollten, das nur Ermittlungen aufwarf, die Zeit und Geld kosteten, aber ins Leere liefen. Und der Mörder würde in Kürze unbehelligt aus dem Flughafen marschieren. Niemand würde ihm je auf die Schliche kommen.
Wären sie nicht zu einem Einsatz unterwegs, der keinen Aufschub duldete, hätte er Dix und Nash, die nicht minder interessiert die Szene beobachteten, darüber informiert, was er gesehen hatte. Der Kerl wäre keine zehn Schritte von der Stelle gekommen, dann hätten sie ihn trotz Waffe überwältigt und der Polizei übergeben. Doch sie konnten sich keinen Zeitverlust erlauben. Simbas tot geglaubte Ziehmutter befand sich in Indien möglicherweise in Gewalt von Erpressern, die Virges Team in ihre
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