Hoehenfieber
gewesen, der den Killer unter den Schaulustigen entdeckt hatte? Es hätte ihm klar sein müssen, dass dem Black Boy – der über eine gute Portion mehr Erfahrung verfügte als alle G.E.N. Bloods zusammen – nichts entgangen sein konnte. Auch Dix’ Gesichtsausdruck verriet, dass er genau wusste, worum es ging.
„Du träumst zu viel.“ Nash klappte die Ablage aus seiner Armlehne und legte sein Smartphone darauf. „Lasst uns besprechen, wie wir in Indien vorgehen.“
Virge zwang sich, dem Black Boy aufmerksam zuzuhören und die Bilder auf dem Display zu betrachten. In Mumbai würden sie einen Kontaktmann treffen, der sie mit Waffen ausstattete. Sie besprachen die Lage im Zielgebiet, das Wetter, die geografischen Gegebenheiten und welches Teammitglied welche Rolle einnehmen würde. Dix mit seiner Gabe, Funkwellen zu orten und abzuhören, würde zur Spitze des Teams gehören, Virgin übernahm mit Nash die Rückendeckung.
„Wir sollten versuchen, jetzt zu schlafen“, meinte Dix, nachdem sie alles Wichtige besprochen hatten.
Unweigerlich hob Virgin den Arm, um auf die Uhr zu sehen. Fuck! Gefühlt mussten sie seit etwa zwei Stunden unterwegs sein. Lagen also noch rund zwölf Stunden Flugzeit bis zum Umsteigen vor ihnen. Er stellte seine Rückenlehne zurück und schloss die Augen. Mit Schlafen hatte er nie ein Problem, obwohl es erst auf den frühen Nachmittag zuging. In der Regel brauchte er nur die Augen zu schließen, einen angenehmen Gedanken zu verfolgen, und schon fand er sich in seinen Träumen wieder. Nur dieses Mal wollte es nicht gelingen.
Die Schwarzhaarige entsprach keinem Wunschdenken oder einer Erinnerung, sondern saß in greifbarer Nähe. Diese Gewissheit hielt ihn eher wach als dafür zu sorgen, dass er mit schmutzigen Gedanken wegnicken konnte.
Er versuchte, sich eine andere Frau hinter die Lider zu zaubern. Vorzugsweise zwischen zwanzig und dreißig, sportlich, dunkelhaarig, intelligent; mit großen, pechschwarzen Augen und einem frechen Glitzern darin. Eine niedliche Stupsnase, ein voller, roter Mund mit einem perfekt geschwungenen Amorbogen. Ein Grübchen am Kinn, wenn sie lächelte. Schatten von den langen Wimpern auf den Wangen, sobald sie die Lider senkte. Herr im Himmel! Fiel ihm nichts anderes ein?
Ruhelos knetete er seine Finger. Unmöglich, einzuschlafen. Er löste seinen Gurt und stand auf.
Als er über Dix’ lang ausgestreckte Beine stieg, öffnete dieser ein Auge, knickte träge seinen rechten Arm ein und wies mit dem Daumen nach hinten. „Ich würde die hinteren Klos nehmen.“ Er zwinkerte. „Natürlich nur, damit du nicht schon wieder Schlange stehen musst.“
„Was tut man nur ohne wahre Freunde?“ Er betrachtete die Wartenden mürrisch und ignorierte Dix’ dreckiges Grinsen, als er sich Richtung Heck wandte.
Die meisten Passagiere schliefen, lasen oder starrten auf die in der Rückenlehne des Vordersitzes eingelassenen Bordmonitore und verfolgten das Inflight-Programm oder spielten Video-Games.
Und da war sie! Mit geschlossenen Augen saß sie in der vorletzten Reihe, wo sich der Rumpf des Flugzeugs verengte und nur noch Zweierreihen an den Fensterseiten angebracht waren.
Ihre Feundin schien zu schlafen, denn ihr Mund klaffte leicht auf und ihr Kopf hing zur Seite. Nicht so die Schwarzhaarige. Obwohl es durchaus sein konnte, dass auch sie schlief, spürte er ihre Aufmerksamkeit genau. Ein ungewöhnliches Gefühl breitete sich in seinem Kopf aus, erinnerte ihn an den Aufenthalt im Terminal, nur dass er das Kribbeln dort auf ihren Blick in seinem Nacken zurückgeführt hatte. Nur Hexen konnten durch geschlossene Lider hindurchsehen, oder?
Verflucht! Ihm schwindelte. Unwillkürlich fuhr sein Arm nach oben und er stützte sich beim Laufen an den Gepäckfächern ab, ging an der Schwarzhaarigen vorbei, ohne dass sie sich regte oder er den Schritt verlangsamte. Sobald er ihr den Rücken kehrte, ließ das Gefühl nach. Es verschwand nicht völlig, aber es sorgte wenigstens nicht mehr für Gleichgewichtsstörungen. Heiliger!
Was sollte das gewesen sein? Etwas Gleichartiges war ihm nie zuvor passiert.
Erleichtert zog er die schmale Kabinentür hinter sich zu und lehnte sich mit dem Rücken an. Das Kribbeln ließ nicht nach, obwohl ihn die Bordwand von der Frau trennte. Sich nur wenige Schritte von ihr entfernt zu befinden, schien auszureichen, um seine Hormone derart durcheinanderzuwirbeln, dass es ihm körperliche Unruhe bereitete. Sein Puls pochte in den Schläfen und
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