Hoehenfieber
Wahrheit?“, brachte sie mühsam über die Lippen.
Ihr Herz klopfte schneller, als es gut war. Ihre Finger zuckten.
Am liebsten hätte sie den Arm ausgestreckt und sein Gesicht berührt. Ihm über die Schläfen gestrichen. Virgin wirkte in diesem Moment unglaublich jung und verletzlich.
„In deiner Nähe … weißt du, ich …“ Er setzte sich auf und umschlang seine Knie, versuchte offensichtlich, Zeit zu gewinnen. „Ich habe das Gefühl, du siehst mich nicht an, sondern in mich hinein“, sagte er schließlich. „Und bevor du etwas Falsches denkst: Es fühlt sich gut an. Ich würde dich gern kennenlernen.“
„Das hast du doch schon.“ Fiel ihr nichts Geistreicheres ein? Was sollte er von ihr denken? Dass sie ihn abwies? Dabei wünschte sie sich doch auch, ihm näherzukommen. Wäre da nicht ihre abgrundtiefe Angst. Und die Lüge, die sie noch nicht aufgeklärt hatte. Das wäre vielleicht noch das Geringste, doch wie sie vor Stunden bereits erkannt hatte, gab es für sie keine Zukunft als Quinn Kirby. Sie wusste nicht, wie ihr Leben weitergehen sollte, wenn sie der momentanen Situation entkamen. Wie sollte sie sich einem anderen Menschen öffnen, wenn sie nicht in der Lage war, mit ihrer eigenen Existenz zurechtzukommen?
„Bitte denk nicht, dass ich dich nicht mag.“
„Nein. Deine Augen spiegeln deine Gefühle.“
„Und was denkst du, was ich empfinde?“
„Du hast dich in mich verliebt“, sagte er und seine weißen Zähne blitzten unter einem breiten Grinsen auf. Unvermittelt wurde er ernst. „Du bist verunsichert und hast Angst. Das verstehe ich. Ich habe dir versprochen, dass alles gut wird. Eine verdammt blöde Floskel. Aber ich gebe dir mein Wort, dass ich alles dafür einsetze.“
Quinn nickte. Sie fröstelte plötzlich wieder und ein Zittern durchlief ihren Körper. Sofort stand Virge auf und griff nach einer Wolldecke auf dem Nachbarsitz. Er legte sie ihr um. Seine Hände lagen einen Atemzug zu lang auf ihren Schultern, doch als er sie fortzog, wünschte sie, er würde sie weiter berühren. Vielleicht verbrachten sie hier gerade die letzten Stunden ihres Lebens. War der Wunsch nach menschlicher Nähe verwerflich? Würde Virgin falsche Schlüsse ziehen, wenn sie ihn bat, sich an sie zu kuscheln?
Sie fasste all ihren Mut zusammen und rutschte auf ihrem Liegesessel zur Seite. „Möchtest du dich zu mir legen?“ Vor Verlegenheit senkte sie den Kopf. Sie hätte es nicht ertragen, Ablehnung in seinem Ausdruck zu erkennen.
Dass sie den Atem anhielt, spürte sie erst, als sich Virge auf die Kante des Liegesessels setzte.
„Du meinst, da passen wir beide drauf?“
Sie machte sich noch schmaler und drückte sich an die Bordwand. „Wir sind doch beide dünn.“
Er schob sich näher heran. So einfach, wie sie sich mit Van auf den Sitz quetschen konnte, war es nicht. Als sie sich nach einigem Herumrutschen gegenüberlagen, pochte ihr Herz so hart gegen den Brustkorb, dass sie glaubte, das Hämmern müsste aus dem Liegesitz einen Sch l eudersitz für Virgin machen und ihn hinauskatapultieren.
Sie barg ihre Wange an seinem Hals, spürte das Pochen seiner Halsschlagader. Sein Puls ging nicht weniger schnell als ihrer.
Sein erfrischender Rasierwasserduft war längst verflogen. Aber er roch auch nicht unangenehm nach Schweiß. Eher männlich, würde sie urteilen, und ihr fiel ein, dass nicht nur bei Tieren der Schweiß zahlreiche Sexualduftstoffe in Form von Pheromonen enthielt. Riechen konnte sie ihn schon mal, auch wenn sie beide seit drei Tagen kein Wasser mehr am Körper gespürt hatten. Sie sog tief den Atem ein. Es gab keinen passenden Ausdruck für das, was sie erschnupperte. Quinn fand es albern, Beschreibungen wie in Liebesromanen zu erfinden. Virge duftete weder nach Leder noch nach Kiefernnadeln oder Sommerpollen. Sie grinste in sich hinein. Was hatte sie sich amüsiert, als sie das gelesen hatte. Wie bitte sollten Sommerpollen riechen? Stroh, Gras, Butterblumen – die Gerüche konnte sie sich vorstellen, aber Sommerpollen ohne genauere Definition? Wahrscheinlich dachte sie zu nüchtern für derart blumige Beschreibungen. Schwülstig! Für sie roch Virgin einfach nur angenehm. Noch angenehmer fühlte sich sein Arm auf ihrem Körper an. Obwohl er ihr beinahe nicht näher sein konnte, wirkte es nicht aufdringlich. So benahm er sich auch nicht. Hoffentlich dachte er nichts anderes von ihr.
Die Einladung, sich auf eine Distanz zu ihr zu legen, dass nicht einmal eine Briefmarke
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