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Hoehepunkte der Antike

Titel: Hoehepunkte der Antike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Brodersen
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in diesen
     Gefahren befand. Von keiner Anstrengung konnte er körperlich erschöpft oder geistig überfordert werden. Hitze und Kälte ertrug
     er gleichermaßen. Wie viel er aß und trank, wurde bei ihm durch das natürliche Bedürfnis, nicht durch sinnlichen Genuss bestimmt.
     Die Dauer des Wachseins und des Schlafens waren weder durch den Tag noch durch die Nacht geschieden. Nur so viel Zeit gönnte
     er sich zum Ausruhen, wie von seinen dienstlichen Tätigkeiten nicht in Anspruch genommen wurde. Und dieser Ruhe gab er sich
     nicht auf einem weichen Lager oder in völliger Stille hin. Viele sahen ihn oft, wie er, nur in einen Soldatenmantel eingehüllt,
     auf dem nackten Boden zwischen den Posten und Feldwachen lag. Seine Kleidung unterschied sich in keiner Weise von der seiner
     Altersgenossen; nur seine Rüstung und seine Pferde fielen ins Auge. Unter den Reitern und den Fußsoldaten nahm er den allerersten
     Platz ein: Als Erster zog er in den Kampf, und hatte sich einmal die Schlacht entsponnen, so verließ er diesen Kampf auch
     erst als Letzter. Diese gewaltigen Vorzüge dieses Mannes wurden durch ungeheuerliche Laster aufgewogen: unmenschliche |138| Grausamkeit, mehr als punische Perfidie, völlige Leugnung des Wahren und Heiligen, keine Scheu vor den Göttern, Nichteinhaltung
     von Eiden und völlige Missachtung des Göttlichen.
    (Livius 21,4)
     
    So schildert Livius in seinem Geschichtswerk
Ab urbe condita
(„Seit Gründung der Stadt Rom“) den Todfeind der Römer. Seine Bewunderung für die militärischen Fähigkeiten und soldatische
     Disziplin des Hannibal sowie den Vorwurf der Grausamkeit und Habgier finden wir so oder ähnlich auch in anderen griechischen
     und römischen Quellen. Gerade Letzteres gehörte zu dem traditionellen Inventar an Stereotypen, auf das Griechen oder Römer
     so gern zurückgriffen, wenn sie über das ungeliebte Händlervolk in Nordafrika schrieben. In dieser Hinsicht hat das Porträt
     des Hannibal mit der historischen Wirklichkeit nur wenig zu tun. Überraschender ist da schon der Vorwurf der Gottlosigkeit,
     den Livius hier in allerlei Variationen ausspricht. Nur wenige Paragraphen vorher hatte derselbe Livius geschildert, wie der
     junge Hannibal vor einem Altar den Schwur leistete, „dem römischen Volk immer ein Feind zu sein“. Mag auch dieser Schwur zumindest
     in der überlieferten Form nicht über alle historischen Zweifel erhaben sein, so ist er doch starkes Indiz dafür, dass Hannibal
     sehr wohl ein religiöser Mensch war oder zumindest bei seinen Zeitgenossen als solcher galt. Darauf lassen auch andere Dinge
     schließen. Seinen Leistungsbericht ließ Hannibal in einem Tempel der Juno Lacinia in punischer und griechischer Schrift anbringen.
     Der Vertrag, den er nach der Schlacht von Cannae mit dem hellenistischen König Philipp schloss, wurde bei zahlreichen Göttern
     beeidet. Besonders dem Herakles, dem phönizisch-punischen Melqart, scheint sich Hannibal verbunden gefühlt zu haben. Er ließ
     sein Porträt – aber nicht nur sein eigenes – in der Pose des Herakles auf Münzen schlagen. Außerdem führte er eine Statuette
     dieses Gottes mit sich, die der berühmte Bildhauer Lysippos angefertigt und die Alexander dem Großen gehört haben soll. Diese
     Beziehung zu Melqart/Herakles lässt sich in der Biographie des Hannibal weit zurückverfolgen.
    Hannibal – sein Name bedeutet „Gnade des Gottes“ oder „Gnade ist Gott“ – wurde während des 1. Punischen Kriegs geboren. In
     seinen jungen Jahren dürfte er sich überwiegend in Gades, dem heutigen Cádiz, aufgehalten haben, einer Stadt, die durch ihr
     Heiligtum des Melqart/ |139| Herakles in aller Welt berühmt war. Und von eben diesem Herakles erzählt der Mythos, dass er den Riesen Geryon getötet und
     seine Viehherde durch Spanien über Gallien nach Italien getrieben hat, bevor sie ihm von dem „Römer“ Cacus geraubt wurde.
     Hannibal sollte im Jahr 218 v. Chr. den gleichen Weg einschlagen. Nur ein Zufall?
     
     
    Kannibalen aus Karthago?
     
    Viel Tinte ist über den Ausbruch des 2. Punischen Kriegs im Allgemeinen und über die Sagunt-Affäre im Besonderen vergossen
     worden. Werner Huß und Pedro Barceló haben wohl Recht, wenn sie den Konflikt als eine ursprünglich innerspanische Angelegenheit
     zwischen den Saguntiern und den Turboleten betrachten, in die sich die Römer auf der einen und Hannibal auf der anderen Seite
     – vielleicht nicht ungern – hineinziehen ließen.

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