Höhepunkte
verstaut, waren in den Wagen gestiegen und hatten sich von Filippo, dem Gärtner, zum Bahnhof fahren lassen, während die Baronessa oben auf dem kleinen steinernen Balkon ihres Schlafzimmers stand und ihnen nachsah, ohne zu winken.
Aber Fabio hatte sie nicht fortgeschickt. Fabio hätte sie behalten, lange, vielleicht für immer behalten, keine Sekunde hatte sein Körper sie gelangweilt, kein einziger Kuß hatte sie gleichgültig gelassen, jede Nacht mit ihm war eine Liebesnacht gewesen, jeden Morgen war sie hungriger nach seiner Jugend, nach seiner Kraft gewesen, und jeden Abend hatte sie ungeduldig auf den Augenblick gewartet, wenn das Mädchen sich zurückzog und sie in dem alten, von hohen Kandelabern erleuchteten Eßzimmer allein ließ.
Aber Fabio hat kein Herz. Fabio ist nicht besser als all die anderen Kerle, die sie ernährt, denen sie gute Manieren und süße Liebesspiele beigebracht hat. Sie alle haben die Baronessa ausgenutzt, haben ein sattes Leben geführt, jeden Tag Wachteln und Parmaschinken, jeden Morgen ein silbernes Frühstückstablett auf dem mit feinem Damast bezogenen Bett, jeden Tag Champagner, Picknicks, Ausflüge nach Rom, nach Monte Carlo, Paris, Venedig, und dazwischen Liebe für die Baronessa, die das so dringend brauchte, Liebesschwüre, die allesamt falsch waren, allesamt verlogen. Ach, die Baronessa hatte sie längst durchschaut, die Baronessa hatte längst gewußt, daß eines Tages, wenn ihr Vermögen verbraucht, ihre Gelder verpraßt waren, niemand mehr da wäre für ihr einsames Herz und ihren Körper, der sich fürchtete vor der Einsamkeit, vor der Kälte und dem Alter.
Fabio war einer der Schlimmsten gewesen. Fabio hatte die Begierde so perfekt geheuchelt, daß sie ihm glaubte; er hatte ihren Körper so dirigiert, daß es sie an den Rand des Wahnsinns brachte, um den Verstand beinahe, nichts hatte sie geahnt von seinen heimlichen Machenschaften, niemals hätte sie geglaubt, daß er ihre Schätze aus dem Haus trug, die silbernen Leuchter aus dem Quattrocento versetzte, ebenso den venezianischen Spiegel, das Eßbesteck mit den Schildplattgriffen - alles zum Antiquitätenhändler getragen und dort zu einem Bruchteil seines Wertes verschleudert, ins Leihhaus gebracht, wo die Zeit verstrich, in der man es hätte wieder einlösen können, ja, Fabio hatte sich nicht einmal geschämt, Bares aus ihrer Geldkassette zu nehmen, etwas, das sie dem Personal vielleicht verziehen hätte; mit lächerlichen fünf Millionen Lire, die sie morgens von der Bank abgeholt hatte, war er abends auf und davon, auf Nimmerwiedersehen, der Schuft.
Die Baronessa seufzte, während sie unter den herabhängenden Zweigen der Tollkirsche hindurchging, eine Blütendolde abriß und sie an ihr Gesicht hielt. Der süße Duft, den die Blüten verströmten, rührte ihr Herz, und beinahe hätte sie vor Mitleid mit sich selbst eine Träne vergossen, wäre da nicht plötzlich vor ihr auf dem Weg ein Geräusch gewesen und hätte sie nicht einen Schatten wahrgenommen auf den vom Mondlicht beleuchteten Steinen. Die Baronessa, die sich nicht fürchtete, hielt die Luft an und lief auf Zehenspitzen dem Geräusch der knackenden Zweige nach, sie hörte unterdrücktes Atmen. Als sie die Hand ausstreckte, hatte sie den Arm eines jungen Mannes berührt, der den Kopf von ihr abwandte, und erst, als sie ihn am Haarschopf packte und das Gesicht ins Mondlicht drehte, erkannte sie ihn. »Luigi!« rief die Baronessa erstaunt. »Was treibst du denn um diese Zeit?«
Luigi war der Sohn des Gärtners, ein hochaufgeschossener sechzehnjähriger Junge, der mit seinen langen, schlaksigen
Gliedern, den großen Füßen und schmalen Händen so gar keine Ähnlichkeit mit dem stämmigen, gedrungenen Vater hatte, der für die Baronessa außer den Pflichten des Gärtners auch noch die des Chauffeurs und Dieners erfüllte. Luigi stammelte etwas Unverständliches, er wollte sich aus dem festen Griff der Baronessa befreien, aber das gelang ihm nicht.
»Sag mir, warum du hier herumschleichst«, sagte die Baronessa. »Und lüg mich nicht an! Du weißt, ich merke immer, wenn einer lügt.«
Luigi fuhr sich mit der Zunge über die Lippe. Er preßte die Handflächen aneinander, er schaute hilfesuchend nach rechts und links, aber die Baronessa ließ nicht locker. »Sag es mir, sonst werde ich deinem Vater berichten, daß du nachts wie ein Dieb durch meinen Park strolchst. Und du weißt, wie streng dein Vater ist.«
Filippo behandelte seinen Sohn, der doch
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