Höhepunkte
betrog, im ersten Jahr ihrer Ehe? Ob er sich vorstellen konnte, wie der Körper seiner Frau sich einem anderen entgegenbäumte, einen anderen zu sich rief, herbeiflehte?
Was wohl passierte, wenn er das erfuhr? Der rasende, zornige, unbeherrschte Carlo. Ob er seine Renata schlagen würde, so wie Filippo seinen Sohn schlug? Oder würde er sie anders strafen, mit wilderer Liebe, leidenschaftlicheren Umarmungen, brutalen Griffen? Die Baronessa lag in dem hohen Bett, das viel zu groß für ihren kleinen, weichen, verlebten Körper war, und in ihrem Kopf formte sich ein Plan. Ein vorsichtiger, schemenhafter Plan, vielleicht nur eine Idee, diesen langweiligen Sommer mit Leben zu füllen, ihrem öden Leben einen Sinn zu geben, daß die Tage nicht mehr so belanglos einander abwechselten und sie aus lauter Langeweile womöglich begann, wunderlich zu werden und den kleinen mageren Luigi in dieses Bett zu holen, nur um nicht mehr allein zu sein, nur als Schutz gegen die Öde dieses Ortes, die träge Hitze dieses Sommers. Ach, ihr einsamer, armer Körper!
Ach, Fabio, warum bist du gegangen? Hättest du nicht mit mir das Spiel der Madonna spielen können? Hätten wir nicht auch da liegen können im betäubenden Geruch von Weihrauch? Weißt du eigentlich, Fabio, wie Weihrauch die Begierde steigert? Weißt du eigentlich, wie schon immer das Heilige, Feierliche einer kirchlichen Zeremonie in meinem Körper schmerzliches Ziehen, Sehnsucht verursacht hat, ein Auflehnen gegen die Gebote der Keuschheit? Ich wollte nie die Braut Christi sein, Fabio, ich wollte deine Braut sein, ich wollte die Braut von vielen Männern sein, vielen jungen, starken, sehnigen Körpern, und du wärst auch ein Held gewesen mit einem Myrtenkranz um die Stirn. Warum bist du gegangen, warum liebst du mich nicht mehr? Warum muß ich allein in meinem großen Bett liegen, unter diesem Baldachin, dessen gesticktes Muster ich auswendig kenne, warum nur?
Am nächsten Morgen sagte die Baronessa zu der kleinen Vera, die den Haushalt besorgte: »Müssen wir nicht hinunter ins Dorf? Müssen wir nicht Vorräte einkaufen? Salat, Fisch, Fleisch und Schinken?«
Vera, die gerade in der alten Küche den Fußboden scheuerte, der aus roten und weißen Marmorquadraten bestand, schaute erstaunt auf, wischte die Hände an ihrem Baumwollkleid und sagte: »Das werde ich später erledigen, Baronessa. Ich wollte nur erst die Küche...«
»Laß nur.« Die Baronessa lächelte so milde, daß Vera erschrak. »Ich will dich nicht hetzen. Du hast so viel zu tun, mein Kind. Eines Tages werden wir uns eine Frau aus dem Dorf holen für die grobe Arbeit. Aber einstweilen...« Sie zuckte die Schultern und schwieg.
Auch Vera sagte nichts, denn sie wußte sehr wohl, daß die Baronessa sich keine Frau aus dem Dorf holen würde, weil ihr Geld knapp geworden war, weil keine Zahlungen mehr aus Rom kamen, seit sie die Mietshäuser verkauft hatte, die ihr einst gehörten. Es kam auch kein Geld aus Neapel, wo ihr Vater sein Vermögen durch waghalsige Spekulationen verloren hatte. »Ich dachte«, sagte die Baronessa, die schon den Sonnenschirm in der Hand hielt und das Täschchen am Arm trug, »ich werde heute die Einkäufe selber erledigen. Ich gehe gern einmal hinunter ins Dorf.«
»Aber es ist sehr heiß heute, Baronessa! Lassen Sie sich von Filippo fahren! Er muß ohnehin mit dem Wagen ins Dorf. Das ist zu anstrengend für Sie, der weite Weg hinunter.«
»Ich bin noch nicht so alt und schwach, wie man in diesem Haus zu denken scheint«, sagte die Baronessa nunmehr ein wenig ungeduldig. »Früher, mein Kind, bin ich fünf-, ja zehnmal am Tag die Treppen hinauf- und hinuntergelaufen. Das ist noch nicht so lange her...«
»Entschuldigen Sie, Baronessa«, sagte Vera und senkte den Kopf. »Es war nur aus Fürsorge. Es war... dumm.«
Die Baronessa entschuldigte alles, sie hatte heute ihren milden Tag. »Schon gut, Kleine. Also, was benötigen wir?«
Vera sagte ihr, was sie brauchten, einen frischen Mozzarella, mit dem sie die Ravioli füllen wollte, dann zwei dünne Scheiben Kalbsfilet für das Saltimbocca, Schinken und Speck war ja immer im Haus, die Speisekammern waren wohlgefüllt, aber ein Stückchen Taleggio wäre nicht schlecht, die Baronessa mochte ihn doch so gern zu dem frischen Brot, das Carlo jetzt immer buk... »Ach ja!« Die Baronessa lachte. »Carlos Brot! Natürlich! Das ist das Wichtigste. Ich werde ein frisches Brot von Carlo mitbringen! Sag, arbeitet Renata eigentlich auch in der
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