Höhepunkte
nicht. Es ist wahr. Im Rausch bist du dein Bild von dir, die sich verschwendende Hetäre. In Wirklichkeit ist alles schwer in dir und verschlingend.«
So ähnlich hatte auch Klages zu ihr gesprochen. Lisa starrte Fedor entsetzt an, als würde sie seine Gedanken spüren.
Fedor sagte: »Ich will, daß du jetzt gehst.«
Sein Blick war zurückgekehrt und stieß sich mit solcher Wucht in sie hinein, daß sie fast das Gleichgewicht verlor und in die Kissen fiel.
Ihr war ganz übel. Wortlos stand sie auf und zog sich an. Fedor sah ihr zu. Sein Beobachterblick machte sie fahrig.
Ohne ihn noch einmal anzusehen, ließ sie ihn allein.
Sie hatte keine Lust, nach Hause zu gehen, in Nikis laute Champagner-Gesellschaft. Doch sie wußte nicht, wohin sie sonst hätte gehen sollen.
Niki war nicht da. Ganz mechanisch begann sie, das Durcheinander in der Wohnung aufzuräumen. Wahllos schien Niki alles, was er angefaßt hatte, im Raum verstreut zu haben.
Schließlich, als sie die Sinnlosigkeit ihres Unternehmens erkannte, ging sie ins Schlafzimmer, setzte sich aufs Bett und fing zu weinen an. Sie fühlte sich ermordet.
So saß sie vielleicht zehn Minuten, als das Haus sich mit Stimmen zu füllen begann. Niki kam und brachte Freunde mit. Lisa sprang auf und drückte die Schlafzimmertür zu. Sie wollte von niemandem gesehen werden. Als Niki nach ihr rief, antwortete sie nicht.
»He, Lilly, wo steckst du? - Bist du nicht da?«
Das Atelier schien bereits gedrängt voll. Niki schrie: »Schreibst du etwa wieder?«
Dann stieß er auch schon die Schlafzimmertür auf und sah sofort Lisas tränenverquollenes Gesicht.
»Wie? Was machst du hier? Was ist los? Ist etwas passiert?« Auf diesen Schwall von Fragen hätte sie gut verzichten können. Daß sie nur allein sein wollte, spürte Niki nicht.
»Es geht vorbei, nur eine Stimmung«, sagte sie und versuchte zu lächeln.
Mißtrauisch sah Niki sie an. Dann breitete sich ein Lächeln über seine Züge. Er wollte feiern und alles Dunkle schnell über Bord werfen.
»Komm mit rüber! Ich muß dich unbedingt dem Riedheim vorstellen. Das ist der Mann, der meine Ausstellung organisiert.«
»Jetzt nicht. Ich komm später.«
»Keine Trübsal blasen, Lilly!« Er kam auf sie zu, griff nach ihren Armen und zog sie hoch. »Weißt du«, meinte er lachend, »nach einem Glas Champagner sieht die Welt schon ganz anders aus.« Und so zog er sie mit sich in den Tumult des überfüllten Ateliers. »Also, jetzt trinken wir erst mal einen...«
Der 21. Juli 1913 sollte Nikolaus Leander den größten Erfolg seines Lebens bringen. An diesem Tag wurde seine Ausstellung eröffnet.
Schon morgens war es schwül. Lisa stand lange vor dem Kleiderschrank und fragte sich, was sie anziehen sollte.
Niki eilte in großer Aufregung durch die Räume.
»Du wirst schön sein wie noch nie«, sagte er zu ihr. »Keiner soll sagen können, ich hätte dir geschmeichelt. Du wirst noch heute die Königin von München sein!«
Seine Nervosität übertrug sich auf sie. Eigentlich hatte sie keine rechte Lust, sich heute öffentlich zu zeigen. Sie hatte zu nichts richtig Lust, sah aber die Unausweichlichkeit ein. Obwohl Niki sie bisher nie als Göttin oder als mythische Gestalt abgebildet hatte, wünschte er, sie solle das griechische Bacchantinnen-Gewand anziehen, das er für sie einmal zu einem Maskenball entworfen hatte. Außerdem sollte sie sich das Haar hochstecken, wie es die Helleninnen getan hatten.
Entsetzt meinte Lisa: »So kann ich doch nicht bei hellichtemTag unter die Leute gehen! Da kommt ja die Sitte!«
Niki winkte ab. »Es steht dir so gut!«
Nun - Lisa hatte zwar wenig Griechisches in ihrem Aussehen, aber sie beugte sich Nikis Wunsch. Als sie in der Tunika aus weißer Seide vor dem Spiegel stand, fand sie ihren Aufzug recht amüsant. Sie steckte sich auch noch das Haar hoch und zog ein paar Strähnen heraus. Ein bißchen Farbe gönnte sie ihrem blassen Gesicht, auch Rot für die Lippen. Mit goldenen Reifen an den Oberarmen und einem goldenen Gürtel um die Taille sah sie wirklich ausgesprochen extravagant aus - eine etwas nordisch erscheinende Griechin im Kleid eines längst verklungenen Heidenfestes.
»Aber das tust du weg«, sagte Niki und deutete auf Fedors Sklavenband.
Lisa schüttelte den Kopf.
»Es sieht lächerlich aus und paßt nicht! Du gehst als stolze Griechin - nicht als versklavte Lykierin!«
»Dann bleibe ich eben zu Hause.«
»Du machst mich nicht zum Gespött!«
»Das tue ich ja auch
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