Höhlenangst
Handys bemächtigt und ignoriert, dass Rehle glaubte, es stamme vom Grillplatz. Darum hat er es zum Indiz erklärt und dich als Täter verhaften lassen. Er muss einen Mordsschreck bekommen haben, als er meinen Ausweis las und feststellte, dass der Minenhund des Staatsanwalts bereits am Tatort herumschnüffelte.«
Richard knurrte nur und raste.
Ich knüpfte die Kojak-Uhr von meinem Handgelenk und ließ sie vor Cipións nasser Nase baumeln. Er sträub te die Schnurrund Schnauzenhaare, schnappte mit blitzweißen Zähnchen nach dem Armband und begann sofort, das Krokoleder gemütlich durchzukauen.
»He!«, rief Richard. »Spinnst du?« Er langte herüber, nahm dem Hund und mir die Uhr weg und steckte sie sich in die Jackentasche.
Als wir unter der angestrahlten Märchenburg Lichtenstein die Serpentinen nach Reutlingen hinabrollten, rief Janette wieder an.
»Ich muss mit dir reden, Lisa!«
»Jetzt?« Ich redete nicht gern mit Leuten, die mit mir reden mussten. Die sagten dann meist so Dinge wie, dass ich egoistisch und unreif sei und auf ihren Gefühlen herumtrample und deshalb dringend mein gesamtes seelisches Design überdenken solle. Andernfalls würde ich in Alterseinsamkeit enden.
»Wir hatten vorhin keine richtige Gelegenheit, miteinander zu sprechen«, fing sie harmlos an. »Und du musst mir doch noch erzählen, was vorhin in der Höhle passiert ist. Hat Hark sich tatsächlich erinnert? Er wirkte wie … wie befreit. Und Gerrit auch. Was ist geschehen? Du musst es mir alles erzählen, haarklein!«
»Ach, redet Hark immer noch nicht wieder mit dir?«
Der Verstärker orgelte zwei Sekunden Stille ins Rauschen. »Was hat das denn damit zu tun, Lisa? Ich bin gerade erst heimgekommen. Und ich musste ja noch Bo do abliefern, und er war vielleicht wieder was umständlich, bis er mich endlich gehen ließ. Ich hatte also noch gar keine Gelegenheit, mit Hark zu sprechen. Natürlich redet er mit mir.«
»Dann lass es dir von ihm erzählen, Janette. Ich fühle mich dazu nicht autorisiert.«
»Was sind denn das wieder für Sprüche, Lisa? Mir kannst du es doch erzählen, nach allem, was ich dir erzählt habe über Hark und mich. Habe ich da nicht sogar ein Recht darauf, auch als deine Freundin?«
»Du hättest mich damals ja ruhig auch einmal besuchen können, Janette. Aber ich war halt nur deine Behelfsfreundin, solange du in meinem Dorf festsaßest. Und in Reutlingen hattest du dann etwas Schickeres. Deine reiche Holzbauerstocher mit eigenem Auto. Weißt du, ihr hättet mich mitnehmen können auf eure Diskotouren.«
»Ich verstehe zwar nicht, was das jetzt soll, aber, Lisa, du weißt doch auch, wie so was ist. Ich war vierzehn, als wir wegzogen.«
»Aber von mir hast du erwartet, dass ich dir die Treue halte.«
»Hör mal, für mich war das damals auch nicht so oh ne. So naiv kannst du doch nicht sein! Weißt du, was die Klassenkameraden mir hinterhergerufen haben, weil ich mit dir herumzog? Mösenschlecker und solches Zeug. Das war nicht immer einfach, glaub mir!«
»Klar!«
»Lisa, du bist doch nicht beleidigt deshalb. Letztlich hast du doch bekommen, was du wolltest, oder etwa nicht?«
»Und du nicht?«
Die Funkverbindung knisterte. Wir brausten aus den letzten Falten des Traufs auf die Schnellstraße.
»Okay, ich verstehe«, ließ sich Janette wieder vernehmen.
»Das war’s dann wohl. Ich habe mich offenbar gründlich in dir getäuscht.«
Jetzt kam gleich das mit dem Egoismus.
»Belogen hast du mich, benutzt, betrogen! Du hattest doch nie vor, diesen eitlen Fatzke von Staatsanwalt aufzugeben! Und ich überlege mir schon, was Florian dazu sagt und Laura, wenn ich mit dir … Gott, wie peinlich! Ich blöde Kuh! Dabei hätte ich es wissen können. So warst du schon immer: große Sprüche, nichts dahinter. Wenn du so weitermachst, Lisa, dann hast du es dir bald mit allen Menschen verdorben. Man kann nicht immer nur auf Spaß aus sein und keine Verpflichtungen eingehen wollen. Aber das hast du noch nie kapiert. Kein Wunder, dass sie dich bei der Zeitung rausgeworfen haben!«
»Na siehst du, Janette, du hast gewonnen«, sagte ich. »Genieß es. Für dein Käsblatt sind Kleingeister wie du eben unverzichtbar!«
»Das muss ich mir nicht anhören. Von dir nicht!«
»Nee«, sagte ich und tippte sie weg.
»Probleme?«, erkundigte sich Richard mit der sprachlichen Treffunsicherheit, die Männern eigen ist, wenn es um die Dramen unter Weibern geht.
»Probleme? Nicht mehr!«, erwiderte ich. »Es ist leicht,
Weitere Kostenlose Bücher