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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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hinterher. Leider wuselte mir der Dackel zwischen die Füße, und ich prasselte, weil ich ihn nicht treten wollte, seitwärts in eine junge Buche, die hoffnungsvoll die ersten Blätter in den Frühling streckte und unter meinem Gewicht brach.
    Richard drehte um und zog mich auf die Füße. Der Dackel verstand das falsch und verbiss sich knurrend in seinem Hosenbein. Aber Kinder und kleine Hunde zu ckerten den Milchkaffee in Richards Augen. Er bückte sich und kraulte den Satansbraten hinter den Schlappohren, woraufhin er verlegen abließ.
    »Und du, Lisa? Was willst du eigentlich?«
    Ich überlegte. »Und du?«
     

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    Er fuhr. Auf meinen Schenkeln kringelte sich eine atmende Wurst mit Haaren. Ich hatte sie einfach nicht loswerden können.
    Auf dem Weg durch den sich eindunkelnden Wald hatte Hark mich noch beruhigt. Wir würden ihn im Wirtshaus in den Eselshöfen abliefern. Die wüssten bestimmt, wo er hingehöre. Auch mir war vorhin beim Durchkreuzen des Fünfhäuserorts das Haus mit dem to ten Menükasten neben der Tür aufgefallen.
    Und so waren wir im Konvoi nach oben gefahren. Ich hatte mir den Dackel unter den Arm geklemmt und war mir vorgekommen wie die Ausländerbehörde mit einem Abschiebebefehl. In der Gaststube saßen ein Jäger, der schon einen Dackel hatte, und ein junger Bursche. Der Wirt lehnte, auf beide Ellbogen gestützt, über dem Tresen. Schweigend hörten die Männer zu, wie ich erklärte, dass Hark Fauth und ich das Tier eben aus dem Todsburger Schacht geholt hätten. »Der k’hört net da na«, sagte der Jäger abschließend.
    »Aber Wasser könnt man ihm geben?«, fragte ich.
    »Das könnt ma«, antwortete der Wirt und rief nach seiner Frau, die mit einem Schälchen Wasser kam.
    Während der Dackel mit hängender Rute schlappte, drängte ich Wirt und Jäger meine Handynummer auf. »Falls sich doch noch jemand meldet.«
    Davonstehlen war auch nicht gegangen. Kaum holte ich Luft, um mich zu verabschieden, ließ das Tierchen vom Napf ab und verrenkte den Hals zu mir herauf.
    »Nimm du ihn«, sagte ich und hielt ihn draußen Janet te hin. »Laura freut sich bestimmt.«
    »Laura hat eine Tierhaarallergie.«
    »Dann Bodo, wollen Sie den Hund? So viel wie Sie unterwegs sind.«
    Er hob die Hände. »Die Schule fängt bald wieder an. Dann ist er ständig alleine.«
    »Also du, Gerrit! Falls Huckebein ihm nicht die Au gen aushackt.«
    »Ich glaube nicht«, dämpfte Hark bedächtig, »dass du dem Hund damit einen Gefallen tust, Lisa. Er hat sich dich ausgesucht. Da kannst du nichts gegen machen.« Er hatte mir die Hand gedrückt beim Abschied und einen Kuss auf die Wange gekitzelt. Richard hatte den Blick niedergeschlagen und mit dem Autoschlüssel gespielt und Janette schon mal Gerrit in den Cherokee verfrachtet und nach Bodo gerufen. Sie fuhr mit dem Lehrer, Hark mit Gerrit und ich mit Richard, den Hund auf den Knien. Als wir am Trüpl entlangrollten, gähnte er quietschend wie eine ungeölte Radnabe.
    »Ich glaube, der muss mal.«
    »Wir sind gerade an einem Parkplatz vorbei, Lisa.«
    »Das Schild muss ihn auf die Idee gebracht haben«, bemerkte ich. »Er sollte dann jetzt wohl auch einen Namen kriegen.«
    »Berganza amigo, dejemos esta noche el hospital en guarda de laconfianza …«
    »Bitte?«
    Richard zog die Brauen hoch. »Kennst du Berganza nicht, den sprechenden Hund von Cervantes?«
    »Ach so, den.«
    »Auf ihn trifft der ebenfalls sprechende Hund Cipión und sagt zu ihm, etwa sinngemäß …« Richard übersetzte ad hoc: »Berganza, mein Freund, lass uns heute Nacht das Hospital Gottes Obhut überlassen, und wir ziehen uns an dieses einsame Fleckchen zurück, zwischen diese Matten dort, wo wir, ohne aufgespürt zu werden, die unerhörte Gnade genießen können, die der Himmel uns beiden auf einmal hat zuteil werden lassen.«
    »Berganza?«, fragte ich das Höhlenhündchen auf meinem Schoß, das den Kopf hob. »Oder Cipión?«
    Über der Nasenwurzel entstand eine tiefe Falte, als er angestrengt verständig seine Ohren aufstellte.
    Richard bog in einen Weg ein, der mitten ins Sperrgebiet führte, und hielt an einer Schranke. Cipión sprang los und pinkelte sich durchs Unterholz. Richard blickte um sich, ging in sich, entschied sich und trat dann ebenfalls an einen Busch.
    Draußen auf der Straße flutschten die Scheinwerfer vorbei. Über dem dunklen Militärgelände stand ein lichter Nachthimmel. Fledermäuse flatterten. Da kam das Klingeln meines Handys ziemlich unschön. Es war Wagner.

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