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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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»Ich habe ihn«, sagte er. »Den Mann, dem die Uhr gehört. Kannst du reden?«
    Ich blickte mich nach Richard um. »Schwer zu sagen!«
    »Dann hör zu. Ich habe das Foto der Uhr, wie befohlen, ins Netz gestellt, aber da hat sich niemand drauf gemeldet, der zum Fundort gepasst hätte. Mein Assistent hat sich ein bisschen unter die Kletterer und Speläologen gechattet. Da hat Anfang April einer mit dem Nickname Kojak herumgefragt, ob ihm jemand aus einer Höhle auf der Schwäbischen Alb einen Wertgegenstand heraufholen könne. Dem hat ein gewisser Grottenolm geantwortet, dass er das machen könne, weil er in Münsingen zu Hause sei und alle Höhlen kenne. Er hat eine Telefonnummer angegeben. Hinter der verbirgt sich ein gewisser Achim Haugk, der eine Kampfmittelbeseitigungsfirma in Münsingen hat.«
    »Und der andere?« Ich wagte kaum zu atmen. »Der Kojak?«
    »Ich weiß natürlich nicht, ob er sich mit Haugk tatsächlich telefonisch in Verbindung gesetzt hat. Aber eines ist sicher, er ahnt nicht, wie viele Spuren ein User im Netz hinterlässt.«
    »Bitte! Mach’s nicht so spannend!«
    »Kojaks Klarname lautet Eckart Abele, wohnhaft im Raum Reutlingen.«
    »Oh!!!!«
    Wagner lachte. »Stets zu Diensten, Signorina!«
    Ich bedankte mich kurz, aber überschwänglich. Inzwischen hatten Herr und Hund sich erleichtert und kamen den Weg entlang. Ich bückte mich nach Cipión, während Richard seinen Schlüssel auf die Zentralverriegelung seines Wagens abfeuerte. Die Türheber pfitschten. Aber noch etwas surrte. Hinter Richard schrägte sich, in einer Notbremsung begriffen, ein Fahrrad heran. Der Hinterreifen schlurrte über den Weg. Richard fuhr herum. Aber der Radfahrer fing sich und sein Rad wieder, schlingerte um uns herum und warf sich, über die Hörner am Lenker gebeugt, an der Schranke und Richards Wagen vorbei auf die dunkle Landstraße, wo er verschwand.
    Cipión schickte ihm ein erzürntes »Wuff!« hinterher.
    »Ein wahres Eldorado für Mountainbiker, scheint mir«, bemerkte Richard. »Wenn das so weitergeht, braucht sich Schorstel nicht mehr zu überlegen, wofür man das Gelände verwendet.«
    Plötzlich hatte ich mein Déjà-vu. Ich sah Alexanders rotes Hornfahrrad vor mir, wie es an Mirjams Hauswand lehnte. Mein launisches Gedächtnis tat dazu Richards Satz: »Ein junger Kerl auf einem roten Rad hat mich sogar beinahe auf seine Hörner am Lenker genommen.« Das war am Sonntag vor zwei Wochen geschehen, womöglich auf diesem Weg, nur etwas weiter hinten in den Hügeln des Panzerwellenbiotops. Auf der Rückfahrt vielleicht hatte der Biker dann das verlorene Handy entdeckt und aufgehoben, vielleicht, um es zurückzugeben oder bei Gelegenheit in einem Fundbüro abzuliefern oder um damit gratis zu telefonieren. Richards Monatsabrechnung würde es offenbaren. Natürlich konnte das jeder gewesen sein, auch der, der uns gerade fast über den Haufen gefahren hätte. Aber nur einer, der auch die unbekannten Höhlen auf der Alb kannte, hatte mit meiner SMS – »Leiche in Mondscheinhöhle gefunden. Melde dich. L« – etwas anfangen und den Grillplatz vor dem Felsen am Lippertshorn aufsuchen können. Man würde noch mal mit Alexander reden müssen, falls es jetzt noch irgendwen interessierte.
    »Übrigens«, sagte ich mit vor unterdrücktem Triumph blubbernder Stimme, als wir wieder weich saßen und Richard das Schiff in die Fahrrinne lenkte, »ich weiß jetzt, wem die Uhr gehört.«
    »Hm?«
    »Hauptkommissar Abele.«
    Richards Kopf verriss es zu mir. »Woher weißt du das?«
    »Ich hatte eine Internetsuche laufen. Abele hat Anfang April jemanden gesucht, der ihm die Uhr aus der Höhle holt. Und Achim Haugk hat sich angeboten.«
    Etwa einen Kilometer lang gab Richard keinen Ton von sich. Dann stieß er ein leises »Coño!« aus, ein spanisches Schimpfwort, auf Deutsch: Möse! Denn in den Momenten, da in Richards pietistisch gedämpfter Büßerseele die Leidenschaften des Jägers mit der Keule erwachten, erinnerte er sich unwillkürlich der für ihn umwälzendsten und bewegendsten Jahre, die er in Argentinien verbracht hatte.
    Außerdem hatte er unmerklich zu rasen begonnen. Cipión stemmte seine Stummelbeine gegen die Fliehkraft einer Rechtskurve in meine Schenkel und rutschte dann in der Linkskurve mit dem Hinterteil von mir gegen die Tür.
    »Darum«, sagte ich, »hat Abele sich von Anfang an für diese Höhlenleiche interessiert, auch als es noch kei ne gab. Darum hat er sich, als die Leiche gefunden wurde, deines

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