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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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dass dies oder das, und fragt man den Soundso, erfährt man, dass Abele dem gesagt hat, man selber habe auch gesagt, dass. Besonders gern hat Abele sich auf mich berufen. Er war drauf und dran, mich in Verruf zu bringen. Er war früher mal im Dezernat für Wirtschaftsstrafsachen in Stuttgart.«
    »Ah, ein ganz spezieller Freund von dir!«
    Richard schnaubte. »So kann man es auch sagen. Vor vier oder fünf Jahren hatten wir mal eine kleine Sache mit Ivan Räffle, eine Ungereimtheit bei der Umsatzsteu ererklärung. Ein paar Rechnungen, für die sich der Leistungsersteller nicht ermitteln ließ. Abele ist damals wahnsinnig engagiert in den Fall eingestiegen, obgleich von vornherein klar war, dass mehr als ein Strafbefehl nicht herauskommen würde. Räffle spielte den einsichti gen Schlamper und gab sich kooperativ. Seitdem ist Abe le von dem Gedanken besessen, Räffle den ganz großen Betrug nachzuweisen. Eine Unmenge Überstunden hat er da reingesteckt. Eines Tages wollte er zwei Hundertschaften, um wegen ein paar Schwarzarbeitern eine winzige Baustelle von Räffle zu stürmen. Dabei berief er sich auf mich und behauptete seinen Vorgesetzten gegenüber, ich hätte bereits einen Haftbefehl beantragt, der morgen rausgehen werde. Es ging aber kein Haftbefehl raus, sondern nur eben dieser Strafbefehl.«
    »Und warum macht Abele so etwas?«
    »Weil er …« Es war Richard sichtlich peinlich. »Weil er mich irgendwie bewundert. Ich weiß zwar nicht, warum, denn ich habe ihn nie sonderlich beachtet …«
    »Vielleicht darum.«
    »Jedenfalls imitiert er mich sogar, zieht sich so an wie ich, raucht meine Marke …«
    »Trägt solche Uhren wie du«, sagte ich, während mei ne Hand die Funduhr an meinem Gelenk betastete. Nein, Krokoarmbänder trug Richard nicht. »Aber sonst sieht er dir gar nicht ähnlich. Ich bin ihm nämlich schon begegnet.« Wobei ich verschwieg, dass ich Abele von hinten tatsächlich einen kurzen Moment lang für Richard gehalten hatte. »Am Pfingstmontag an der Höhle. Ich musste mich ausweisen, und danach ist er auffällig schnell verschwunden. Wie peinlich es für Männer doch immer wieder ist, wenn sie entdecken, dass sie mich für einen von ihresgleichen gehalten haben. Als ob sie sich dadurch entmannt hätten.« Ich kicherte gemütlich. »Oder glaubst du, er weiß, dass du und ich …?«
    »Davon gehe ich aus. Da er mich inzwischen hasst, sammelt er alle Informationen, die mir schaden könnten.«
    »Ah! Und ich schade dir.«
    »Fang nicht wieder damit an, Lisa. Bitte.«
    Ich schluckte angestrengt Friedfertigkeit in mein Herz. Wir rollten am Schul- und Rathaus von Steinhilben vor bei. »Übrigens, was hattest du gestern in Stuttgart zu tun?«, fragte ich.
    »Ich hatte etwas zu klären.«
    »Ich denke, du hast Urlaub.«
    »Übrigens möchte ich dich doch sehr bitten, meine Sekretärin nicht damit zu bedrohen, dass ich ihr Ärger mache, wenn sie dich nicht durchstellt.«
    Ich schluckte noch angestrengter.
    Richards Limousine knirschte auf den Kieshof am Waldrand. Wir stiegen aus dem Auto in die Stille. Das junge Grün an den Bäumen fröstelte noch im Nebel, aber die Butterblumenwiese mit dem Bächlein machte es sich bereits in Erwartung von Sonne bequem.
    Die Haustür besaß keine Klingel.
    Ich klopfte, aber nichts rührte sich. Die Tür war nicht abgeschlossen. Aus der Küche am Ende des Gangs drang Radiomusik.
    »Hallo!«, rief ich.
    Gerrit erschien in der Küchentür, Begeisterung in den Augen, die auch von dem Fremden, der hinter mir eintrat, nicht verscheucht wurde. »Hallo! Wir sind gleich fertig.«
    Wir?
    In der Küche war Hark nicht, aber dafür saß der Rabe auf einer Stuhllehne und plusterte das Kehlgefieder. Mir gefroren die Härchen im Nacken.
    »Oh, ein Kolkrabe!«, rief Richard. »Gehört der dir, Gerrit? Hast du ihn gezähmt?«
    Gerrit nickte überrascht von so viel Hellsichtigkeit bei einem Erwachsenen. »Wir haben ihn vorletzten Winter halb tot in einer Ackerfurche gefunden und mitgenommen. Eigentlich wollten wir ihn ausstopfen. Aber er ist nicht gestorben, weil ich ihn mit Eigelb und Eichelmus gefüttert und ihm Wasser eingeträufelt habe, eine ganze Nacht und einen Tag und wieder eine Nacht lang. Fast ganz alleine! Er heißt Graf Huckebein!«
    »Hier sieht man Gerrit, den muntern Knaben«, dichtete Richard im Schweinsgalopp, »nebst Huckebein, dem jungen Raben. Und dieser Gerrit, wie alle Knaben, will einen Raben gerne haben.«
    »Das ist aber von Wilhelm Busch«, meldete

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