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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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mal etwas Privates fragen?«
    »Hm.«
    »Es ist aber ziemlich taktlos.«
    Ich konnte mir denken, welche Figuren auf dem Gedankenkarussell hinter seiner Stirn vorbeibimmelten: Winnetou, Schwanzvergleich und Frankenstein.
    »Ich würde nicht fragen«, sagte er, »wenn Janette nicht so etwas angedeutet hätte.«
    Ich schwieg.
    Er räusperte sich und blickte zu mir herüber. »Bist du wirklich lesbisch?«
    Jetzt durfte ich lachen.
     

21
     
    Kurz nach acht Uhr in der Frühe stand Richard geduscht und gebügelt in Janettes und Florians Doppelhaushälftenflur zwischen Schuhregalen und Garderobe, schüttelte Florian die knochenlose Hand und grüßte artig Janette und Laura. In seinem Gesicht stand in Großbuchstaben: »WIR MÜSSEN MITEINANDER REDEN, LISA!« Aber wie immer hatte er sich dafür den schlechtesten Zeitpunkt ausgesucht. Auch psychologisch, denn nachdem er sich über eine Woche lang in Schweigen gehüllt hatte, musste ich nicht morgens um acht auf der Alb zur Klärung seiner Probleme bereit sein. Außerdem befand ich mich im Aufbruch.
    »Klettern, jetzt?«, fragte er pikiert. »Bei diesem Wetter?«
    Der Nebel hatte ihm schon auf dem kurzen Weg vom Auto zur Haustür Feuchtigkeit ins teure Tuch seines braunen Dreiteilers gedämpft.
    »Ich habe es Gerrit versprochen.«
    Richard sah aus, als beobachte er ein Kind beim Murmelspiel, während die Welt abbrannte. Aber ich konnte ihm da leider nicht helfen.
    Ja, wäre er gestern Abend gekommen, um Florian, Janette und mir beim Sezieren grätiger Forellen zu helfen, die ohne Lorbeerblatt und Nelken gedünstet worden waren, dann wäre ihm meine Dankbarkeit sicher gewesen. Es hatte damit begonnen, dass Janette zwischen etlichen Schlucken Weißwein Florian den Kindertag abtrotzte. Eigentlich wäre sie heute dran gewesen mit Laura-Hüten. Aber sie musste ins Büro, an der Höhlenleiche dranbleiben. Große Geschichte! Laura hatte den Streit zu entschärfen versucht, indem sie erklärte, sie sei sowieso lieber mit Papa zusammen, was der Ehekrise, nachdem das Kind im Bett lag, eine schrille Wendung gegeben hatte.
    »Du hast damals Laura doch nur gekriegt, weil Sibylle ein Kind bekommen hat«, hatte Florian diagnostiziert. »Aus reinem Konkurrenzdenken!« Dabei hatte er mich mit seinen Forellenaugen angeblickt.
    »Und du«, hatte Janette analysiert, »benutzt Laura, weil du es nicht ertragen kannst, dass ich mich auch noch für etwas anderes interessiere als für dich und deine dämlichen Höhlenseminare für Manager!« Es war bis nachts um drei gegangen.
    Ich hatte mir zwar gestern Abend noch das Nötigste gekauft, um ein paar weitere Nächte und Tage auf der Alb nebst einer Steilwandkletterei zu überstehen. Aber noch so ein tiefer Griff in die Ehekiste schien mir nicht wünschenswert.
    »Warum darf ich nicht mit klettern?«, erkundigte sich Laura.
    »Du hast doch sowieso Schiss«, antwortete Janette.
    »Außerdem wollten wir doch in den Europapark Rust fahren«, erinnerte Florian.
    »Kommt doch alle mit!«, sagte ich verzweifelt.
    »Gute Idee«, antwortete Richard prompt. »Diesen Hark Fauth wollte ich mir schon immer mal anschauen.«
    »Aber ich gehe nicht mit ihm klettern, sondern mit seinem neunjährigen Sohn!«
    Das beruhigte vor allem Janette sichtlich. Denn sie konnte mich heute nicht beaufsichtigen. Und ob die wohlmeinende Warnung an Hark: »Ehe du dich lächerlich machst, wollte ich dir nur sagen, dass Lisa andersherum ist«, Platzhalter genug war, ihn vor den Irrtümern männlicher Reflexe und meinem groben Charme zu bewahren, dessen konnte sie sich nicht ganz sicher sein. Waren wir nicht alle Konkurrentinnen?
    »Macht’s gut«, verabschiedete ich mich von Laura und Florian. Und Janette drückte ich, ehe sie reagieren konn te, ein Küsschen auf die Wange. »Schreib was Schönes.«
    Richard öffnete mir die Beifahrertür. Er hatte seine Limousine gleich hinter meiner Brontë geparkt, die, von den Zeitläuften arg gebeutelt, neben seinem Hanspeter doch sehr nach Kleinwagen aussah. »Ich hoffe«, sagte er, »dass mir Hark Fauth sagen kann, wer mein Handy am Pfingstmontag in der Mondscheinhöhle gefunden hat.«
    »Winnie«, antwortete ich. »Und wo der wohnt, hätte dir auch Janette sagen können. Haben sie dir auf der PD Reutlingen denn gar nicht weitergeholfen?«
    »Dieser Abele spinnt halt!«, sagte Richard mit ungewöhnlicher Emphase. »Der hat es so geheim, dass er die Akten sogar vor sich selbst geheim hält. Und immer behauptet er, der Soundso habe auch gesagt,

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