Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
den Augenblick sicher zu sein.
Tenno kam aus dem Lager und warf Leandra ein Lächeln zu. Er war ein kleiner, rundlicher Mann, dessen Schwäche für alle hübschen jungen Mädchen im Dorf sprichwörtlich war. Besonders galt das Floris, Janina und Leandra.
»Hallo Lea!«, rief er gut gelaunt und hob im Vorübergehen die Hand.
Leandra nickte ihm zu, hielt sich aber höflich im Hintergrund. Die beiden Frauen waren eher als sie hier gewesen.
»Was darf es sein, meine Damen?«, fragte Tenno mit lauter Stimme. »Ich habe gerade frische Ziegenmilch von Gujs bekommen und Babbu-Eier von Ungolf. Oder vielleicht Bullerkohl?«
Eine der Frauen trat vor, sie hieß Giesa, wenn sich Leandra recht erinnerte, und war eine Tante von Karno, einem jungen Kerl, der ihr, Leandra, zur Zeit nachstellte. Giesa maß Leandra mit Blicken, nicht unfreundlich, aber eben in der Art, wie sich ältere Damen die jungen Frauen ansahen, denen ihre Schützlinge auf den Fersen waren. Leandra lächelte schwach.
»Zwei Krüge von dem hellroten Wein, den du aus Mornewald bekommen hast«, sagte Giesa. »Und ein Stück Knochenseife, dann zwei große Leinenputzlappen und ...«
In diesem Augenblick wurde die Tür aufgestoßen. Der dunkle, hagere Kerl kam herein. Schlagartig erstarb Giesas Wortschwall und sie wandte sich um.
Leandra schluckte leicht, als sie in die stechenden Augen des Mannes sah. Bruderschaftler, schoss es ihr durch den Kopf, und plötzlich wurde ihr zu klarer Gewissheit, dass sie und ihre Gefährten die Bedrohung durch die Bruderschaft niemals wirklich ausgelöscht hatten. Die Bruderschaft - das war jetzt die Duuma
Der Mann setzte ein maskenhaftes Lächeln auf, schloss die Tür und trat in die Mitte des Raumes. Da tat Leandra etwas, das sie eigentlich unter keinen Umständen hätte tun dürfen.
Sie berührte das Trivocum.
Ihre von Munuel ausgebildeten magischen Sinne fanden sofort jenen hellrötlichen Schleier, der die magische Grenzlinie zwischen dem Diesseits, der klaren, wirklichen Welt, und dem Stygium, der jenseitigen Sphäre des Chaos und der Unordnung, darstellte. Das Trivocum bildete die Grenze zwischen den beiden Sphären; nur Magier vermochten sie mittels ihrer Fähigkeiten durchlässig zu machen und die fließenden Energien nach ihren Wünschen zu lenken.
Nein, stellte erleichtert Leandra fest - dieser Mann war kein Magier.
Wäre er es gewesen, dann hätte er seinerseits Leandras Anwesenheit in der magischen Sphäre bemerken können. Aber sie hatte viel geübt in den letzten Monaten und war, wie sie fand, wirklich gut geworden. Inzwischen traute sie sich zu, das Trivocum für Momente unbemerkt beobachten zu können, selbst wenn sich ein Magier von hohen Graden in unmittelbarer Nähe aufhielt. Dennoch - ihre Tat war ein großes Wagnis gewesen.
»Guten Tag, meine Damen«, sagte der Mann mit durchdringender Stimme und richtete seine große, dürre Gestalt auf. Er hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt und sah sich im Raum um, als wäre dies hier in Wahrheit sein Refugium, als hätte er sich herabgelassen, einmal vorbeizuschauen, um nachzusehen, ob hier auch alles seinen ordnungsgemäßen Gang ging.
Niemand antwortete. Tenno ließ es sich nicht nehmen, den Kerl mit einem krass abweisenden Gesichtsausdruck zu messen. Allein damit hatte er sich schon Leandras Wohlwollen verdient. Sie freute sich über jeden, der sich im Widerstand übte - auch wenn diese Art von Widerstand keine besonderen Ergebnisse brachte. Trotzdem gab Tenno damit klar zu verstehen, dass er sich nicht unterordnete, dass er Stolz und Würde besaß und dass er im rechten Moment auf der Seite derer stehen würde, die sich gegen die Unterdrückung erhoben. Eigentlich war das ganze Dorf so, und deswegen war Leandra stolz, eine Angadoorerin zu sein.
»Ein schöner Tag heute, nicht wahr?«, fragte der Mann.
»Ja«, brummte Tenno. »Besonders jetzt, wo ihr da seid! Was willst du?«
Leandra konnte ein Grinsen kaum unterdrücken. Der Fremde erwiderte Tennos aufreizende Worte mit einem finsteren Gesichtsausdruck. Und Leandra sah, dass der Mann keine Klasse hatte. Er war ein niederer Speichellecker, der sich großartig aufführte, weil er zur Duuma gehörte. Dem offenen und mutigen Widerstand Tennos hatte er nichts als Grobheit entgegenzusetzen.
»Pass auf, was du sagt, Krämer!«, bellte der Kerl. »Wenn du dein Maul zu weit aufreißt, dann bist du ganz schnell weg von hier, verstehst du?«
Tenno winkte ab. »So schnell geht das nicht! Ich bin ein ehrlicher
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