Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
dämliche Idee Victors war die gewesen, ihren Aufpasser töten zu wollen, damit sie ungehindert nach Hammagor fliegen konnten. Dämlich deswegen, weil sie die Notwendigkeit eines heimtückischen Mordes beinhaltet hatte. Dann verstand sie, was ihm im Kopf herumgegangen war. Sie ächzte. »Du meinst ... den Antikryptus zur Anwendung zu bringen?«
Er verzog das Gesicht. »Wenn du die Struktur der Krypti verstehen würdest und sie anwenden könntest -dann hätten wir doch das vollkommene Druckmittel gegen Chast, nicht wahr?«
Roya ließ ein angespanntes Seufzen hören. Sie starrte in die Ferne, und Victor wünschte sich, er wäre gar nicht auf diese Idee gekommen. Er fragte sich, ob das moralisch zu rechtfertigen wäre: die Welt vor der Bedrohung durch die Bruderschaft und die Drakken dadurch zu retten, dass man die Mitglieder der Bruderschaft einfach allesamt umbrachte. Und vor allem: jemanden wie Roya damit zur Henkerin zu machen. Er lachte leise und bitter auf, woraufhin Roya ihn fragend ansah. Wenn man so etwas tat, sagte er sich, dann war man sicher nicht besser als der Gegner, den man bekämpfte.
Er sah sie an. »Vergiss diesen Mist! Ich war wohl nicht ganz bei mir, als mir diese Idee kam.«
Roya schenkte ihm ein erleichtertes Lächeln und hakte sich wieder bei ihm unter.
Dann kamen die Drachen zurück. Sie flogen ganz nah beieinander und es war nicht schwer, sich vorzustellen, dass die beiden ein Paar waren. Tirao und Faiona landeten - wieder einmal so sanft, dass Roya und Victor es mit Erstaunen beobachteten. Dann eilte Roya zu Faiona, denn sie wollte sie bitten, noch einen kleinen Rundflug mit ihr zu machen. Sie hatte weit oben im Stützpfeiler ein großes Felsentor gesehen, durch das sie aus purer Lust am Fliegen einmal hindurch wollte. Dann aber blieb sie verblüfft stehen.
Tirao und Faiona waren nicht allein gekommen.
Victor trat neben Roya, und gemeinsam starrten sie mit ungläubigen Blicken das kleine Wesen an, das zwischen den beiden gelandet war.
Wir haben einen Freund mitgebracht, sagte Tirao. Du kennst ihn bereits, Victor. Sein Name ist Ulfa.
Sie ist hier!«, sagte Großmeister Karras. »In der Stadt. Das scheint bereits sicher.«
Chast lächelte schwach. Er konnte nicht umhin, diese Leandra zu bewundern. Die Stadt war bewacht wie eine Festung, aber für sie schien das überhaupt keine Bedeutung zu haben. Wenn sie nach Savalgor hinein wollte, dann tat sie das eben.
»Es gab eine Verfolgungsjagd«, fuhr Karras fort. »Eine Wachstreife griff eine junge Frau auf, mit rotbraunen Haaren. Sie hieb den Offizier mit einer Magie zu Boden und rannte davon. Und entkam ... Das kann eigentlich nur sie gewesen sein.«
Chast lachte leise auf. Er, der nie eine besondere Leidenschaft für Frauen empfunden hatte, verspürte plötzlich eine teuflische Lust, diese offenbar unzähmbare Leandra zu besitzen. Ihre ungestüme Wildheit zu zähmen. Doch nein, sagte er sich, gezähmt wäre sie nichts mehr wert. Und sie würde sich gewiss auch nicht zähmen lassen. Er fragte sich, ob es nicht ein Glück war, eine solche Gegnerin zu haben - das verlieh seiner Aufgabe einen nicht unerheblichen Reiz. Der unheilvolle Wunsch regte sich in seinem Hirn, dass er, sollte er dennoch irgendwie scheitern, es durch ihre Hand tun wollte. Nicht durch die Drakken, diese Ekel erregenden Kreaturen, über die er so gut wie nichts wusste.
»Und?«, fragte er. »Weißt du auch, wie sie in die Stadt kam?«
Karras nickte. »Es gibt einen deutlichen Hinweis. Ihr Kleiderfach in den Quellen von Quantar ist leer. Sie muss von außerhalb der Stadt irgendwie einen Zugang zu den Grotten gefunden haben. Es ist ja bekannt, dass die Höhlen dort unten weit verzweigt sind. Auch außerhalb der Stadt wurden schon verschiedene Zugänge gefunden, besonders an der Nordostseite des Monolithen. Aber die wurden alle vor langer Zeit zugeschüttet. Sie muss noch einen weiteren gekannt haben.«
»Hm«, machte Chast. »Und warum wurde sie nicht festgehalten, als sie ihre Sachen holte? Ich dachte, du hättest das vorbereitet?«
Karras hob die Schultern. »Es fiel leider nicht sofort auf - sie muss die Kleider ganz regulär abgeholt haben. Sonst wäre ich sofort in Kenntnis gesetzt worden. Sie besaß offenbar die Plakette für das Fach. Ich habe allerdings keine Ahnung, woher sie die hatte. Ich kann nicht glauben, dass sie das Ding seit damals bei sich trug.«
Chast musste nun regelrecht lachen. Es war nicht zuletzt die verdutzte Ratlosigkeit seines
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