Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
zur Rechenschaft zu ziehen.«
Der LiinMar erwiderte darauf nichts. In Chast keimte die Hoffnung, dass diese Drakken vielleicht nicht alles wussten. Die Unterschiede ihrer Kulturen sprachen sogar dafür, dass sie nicht in der Lage waren, feine Gemütsbewegungen oder aber heimtückische Tricks der anderen Seite zu erkennen.
»Ich war ein Verehrer, ein glühender Anhänger von Sardin!«, rief Chast aus. »Ich liebte, ich bewunderte ihn! Nie hat jemand eine solche Macht in sich vereint, eine solche Führungspersönlichkeit dargestellt! Wir alle dachten, diese Leandra sei damals in Unifar umgekommen. Aber das trifft nicht zu, und jetzt, da sie wieder aufgetaucht ist, jagen wir sie. Wir wollen Rache für Sardins Tod!«
Der LiinMar erwiderte noch immer nichts, und Chast fragte sich, ob er ihm seine Worte vielleicht glaubte; ob er ihm am Ende sogar helfen würde, Leandra zu erwischen. In diesem Augenblick war er doch wieder sehr weit von seiner abgründigen Lust entfernt, seiner Erzfeindin noch einmal begegnen zu wollen. Er war in zweierlei Not - und eine Last davon los zu sein wäre bereits eine enorme Erleichterung.
»Was geht mich deine Rache an?«, fragte der LiinMar abschätzig.
Chast stemmte die Fäuste in die Hüften. »Eine Menge, würde ich sagen! Wären wir diese Leandra und ihre Freunde endlich los, könnten wir die Macht über Akrania viel schneller und leichter erlangen - wie du es von uns verlangst! Sie ist deine wahre Feindin! Sie und ihre Freunde sind es, die zu verhindern suchen, dass uns das Land in die Hände fällt!«
»Sie und ihre Freunde aber sind es auch, die verhindern, dass du den Pakt findest! Dieser Victor ist auf dem Weg zu ihm, und hat er ihn erst, wirst du ihn nicht bekommen. Warum also sollten wir etwas gegen sie unternehmen?«
Chast holte Luft. Die Rückschlüsse dieses Drakken-Scheusals waren abartig. Er trat mutig ein paar Schritte auf ihn zu. »Du willst uns also unseren Lohn - den Okryll - vorenthalten, wie?«
»Ich will verhindern, dass ihr den Antikryptus außer Kraft setzt und euch aus eurem Teil der Abmachung stehlt. Du musst wissen, dass ihr unseren Teil der Abmachung überhaupt nicht einfordern könnt. Ob mit Pakt oder ohne.«
Das verschlug Chast die Sprache.
»Um den Pakt einfordern zu können, musst du Magie gebrauchen«, fuhr der Drakken seltsam gesprächig fort. »Aber wir weilen nicht in dieser Welt. Und außerhalb dieser Welt gibt es keine Magie.«
Chast starrte den Drakken nur an. Das, was der LiinMar da sagte, überstieg seinen Horizont. »Was sagst du da? Keine Magie außerhalb der Höhlenwelt?«
»Das stimmt.«
Chast dachte einen Moment nach, trotz seiner Verblüffung. »Also ... dann können wir den Anspruch auf den Okryll - was immer das sein mag - gar nicht geltend machen?«
»Das stimmt ebenfalls.«
Chast schnaufte. Wenn das zutraf, was der Drakken da behauptete, so war er vollständig auf der Verliererstraße. Dann war er nichts als eine verfluchte Marionette der Drakken. Diese Nachricht machte ihn wütend, äußerst wütend. Er spielte mit dem Gedanken, diesen Drakken und seine Begleiter hier auf der Stelle umzubringen. Ob es ihm gelang, war eine andere Frage, aber angesichts dieser Offenbarung war er beinahe bereit, es darauf ankommen zu lassen und möglicherweise sterben zu müssen, wenn er versagte.
Chasts Stimme war kalt. »Wusste Sardin das? Dass er eure Gegenleistung niemals erhalten würde?«
Der LiinMar schwieg eine Weile. »Nein, natürlich nicht.«
Die Offenheit, mit der der LiinMar diesen niederträchtigen Verrat zugab, war verblüffend. Sie war ein klarer Hinweis auf die völlige Skrupellosigkeit dieser ekelhaften Echsenwesen.
»Also ein Betrug!«, knirschte Chast. Er spürte, wie sich seine magisch geschulten Sinne in Bewegung setzten, nach dem Trivocum zu greifen. Er würde innerhalb eines Augenblicks eine klaffende Spalte hineingerissen und die stygischen Energien auf die Drakken gelenkt haben. Der LiinMar hatte zwar behauptet, dass es außerhalb der Höhlenwelt keine Magie gab - aber in ihr gab es sie sehr wohl! Und hier war er derjenige, der diese Macht besaß - mochten sie so viele Waffen mit sich bringen, wie sie wollten! Er stand kurz davor, es auszuprobieren. Was waren er und seine Bruderschaft noch wert, wenn sie nur ein wegwerfbares Werkzeug dieser Drakken darstellten?
»Die ganze Zeit über«, zischte Chast, »habt ihr Sardin in der Annahme gelassen, dass er seinen wohlverdienten Lohn erhalten werde. Ihr habt ihn und uns
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