Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
Sie alle arbeiteten vergleichsweise leise, aber demgemäß wuchs auch der Grad der Erschöpfung. Kein Stein konnte losgetreten und danach mit Schwung wegbefördert werden; jeder von ihnen musste vorsichtig gelöst, zu zweit fortgetragen und dann leise abgesetzt werden.
Endlich, nach Stunden, waren sie hindurch.
»Diese verdammte Mauer war sieben Ellen dick!«, fluchte Vendar.
»Ich hätte sie zehn Ellen dick gemacht, wenn Torgard meine Festung wäre!«, ächzte Leandra. Ihre Bemerkung tröstete niemanden.
Die letzte Ablösung war fällig, und die Gruppe, die nun antrat, machte den Durchstieg innerhalb von zehn Minuten breit genug, dass Leandras Gruppe einigermaßen bequem hindurchschlüpfen konnte.
Dahinter wartete die Dunkelheit eines weiteren unbekannten Ganges auf sie. Eines Ganges, der für den Augenblick viel versprach. Er stellte die Verbindung zu dem abgetrennten Höhlenreich innerhalb Torgards dar.
»Wir haben mindestens noch so eine Mauer vor uns«, sagte Vendar. »Nämlich dann, wenn wir wieder nach Torgard hinein wollen.«
Niemand wusste zu sagen, wie dieser letzte, wohl gefährlichste Akt ablaufen mochte und ob er ohne eine größere Gewaltanwendung lösbar war. Angesichts der Erfahrung mit dieser ersten Mauer hatte er sich beachtlich verkompliziert.
»Ich werde mal nachsehen gehen«, sagte Vendar und ließ sich von Yo eine Fackel geben. Dann zwängte er sich durch den Durchschlupf und verschwand für eine Weile. Man sah nur den Fackelschein von der anderen Seite herüberdringen.
»Wir werden hier eine Falle aufbauen«, sagte Jordik, der Anführer der zweiten Gruppe. »Mit den Steinen. Wir werden sie, solange ihr da drinnen seid, hier rechts und links so aufschichten, dass sie leicht einzureißen sind. Damit können wir, nachdem ihr zurückgekommen seid, den Durchgang hinter uns blockieren, falls ihr verfolgt werdet.«
Hamas nickte anerkennend. »Gute Idee. Seht bloß zu, dass die Steine nicht schon vorher umkippen. Sonst sitzen wir in der Falle!«
Dann kam Vendar zurück. Er leuchtete mit der Fackel von der anderen Seite durch den Durchschlupf.
»Die Luft ist rein«, sagte er leise. »Ihr könnt kommen!«
Man verabschiedete sich von der zurückbleibenden Gruppe und wünschte sich gegenseitig Glück. Leandra ging voran, und als sie durch den Spalt in der abgetragenen Mauer hindurch war, stand sie in einem leicht aufwärts führenden, hohen Gang. Sie wusste, dass aller Spaß nun endgültig vorbei war. Es gab jetzt kein Zurück mehr. Sie würden entweder Alina finden und befreien, sagte sie sich grimmig, oder sie würden alle sterben.
Als Jacko die Hand nach dem Schwert ausstreckte, spürte er plötzlich ein seltsames Kribbeln - eines, das ihm die Nackenhaare aufgestellt hätte, wäre dies hier, unter Wasser, möglich gewesen. Er bemühte sich, ruhig zu bleiben und ohne heftige Bewegungen wieder aufzutauchen.
Als er oben war, streckte er den Kopf nahe an der Wand vorsichtig aus dem Wasser und holte leise Luft. Inzwischen waren überall helle Öllichter aufgestellt und Fackeln befestigt worden. Es war offensichtlich, dass man die Jagd nach ihnen längst noch nicht aufgegeben hatte. Zum Glück war niemand in der Nähe und auch das
Boot war nicht mehr an der Stelle, wo zuletzt der Kampf stattgefunden hatte.
Hellami wollte dieses Schwert unbedingt wiederhaben und er hatte versprochen, es zu holen, wenn sie sich bereit erklärte, solange in ihrem Versteck zu bleiben. Jacko verzehrte sich vor Sorge, dass ihr irgendetwas zustoßen könnte, denn ihm war etwas passiert, was er noch nie erlebt hatte.
Er liebte sie. Er liebte diese zierliche, junge Frau mit einer Leidenschaft, die er von sich selbst gar nicht kannte. Sie hatte ihn in einen Zwiespalt gestürzt, der ihm schwer zu schaffen gemacht hätte, wäre er nicht in der unbeschreiblich glücklichen Lage gewesen, sie bei sich zu haben. Ihre Gegenwart hob all das wieder auf, was ihn an Selbstzweifeln überspülte. Irgendwie hatte er schon durch Leandra geahnt, was ihm eigentlich fehlte; Hellami hingegen hatte es ihm deutlich gezeigt.
Er konnte sich nicht im Mindesten erklären, in welcher Haltung gegenüber Frauen er sein Leben bisher gelebt hatte. All die drallen, wuchtigen Weiber mit ihren eher groben Manieren und ihrer ungestümen, herben Fraulichkeit, die in den letzten Jahren seine Gefährtinnen gewesen waren, erschienen ihm plötzlich wie ein Spott seiner selbst. Nicht, dass er eine von ihnen deswegen als minderwertig erachtete; nein, er
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