Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
Allerbesten. Bald schon, wenn alles nach seinen Vorstellungen lief, würde die Bruderschaft die Urheberin wie auch Inhaberin der wirklich entscheidenden Fortschritte dieser Welt sein und dann konnte ein neues Zeitalter beginnen. Ein Zeitalter, an dessen Spitze er stand! Seit er damals beschlossen hatte, sich Sardins zu entledigen, seit er erkannt hatte, welche ungeahnten Möglichkeiten die Rohe Magie bot, die so krass von diesen überheblichen Cambriern abgelehnt wurde, träumte er von diesem neuen Zeitalter, das er einläuten und zur Blüte bringen würde! Nun standen er und seine Leute kurz davor. Und wenn das geschafft war, würde er sich endlich der letzten großen Frage widmen können ...
Schlagartig erlosch sein Traumbild der neuen Welt, das so glanzvoll in seinen Gedanken aufgegangen war. Für Momente hatte er völlig vergessen, welche Störfaktoren plötzlich seinen Traum niederreißen wollten.
Quendras schien zu ahnen, welchen Hintergrund Chasts plötzlich veränderte Züge hatten. »Die Drakken«, stellte er fest.
Chast fühlte sich von einer Sekunde auf die andere wie in einen eiskalten, fauligen Tümpel gestoßen. »Ja. Die Drakken«, bestätigte er und nickte dumpf. »Und nicht nur die. Da ist auch noch diese Adeptin Leandra, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, unsere Pläne zu zerstören ...«
»Leandra?«, stieß Quendras erstaunt hervor. »Ich dachte, die wäre damals in Unifar umgekommen!«
Chast nickte. »Das dachte ich auch. Es ist mir ein Rätsel, wie sie den Einsturz des Tempels von Yoor überleben konnte. Dennoch - sie lebt. Meines Wissens ist sie schon wieder auf dem Weg hierher, um mir Schwierigkeiten zu bereiten. Usbalor ist ihr auf den Fersen, aber ich fürchte, er wird sie nicht erwischen!«
Quendras richtete sich auf. »Eine Adeptin der Magie?«, sagte er ziemlich verächtlich. »Warum sollte er sie nicht ...?«
Chast musterte seinen Bruder. Dann tippte er sich mit dem Finger an die Stirn. »Hier oben«, sagte er und tippte noch ein paar Mal. »Gegner, die hier oben stark sind, sind die gefährlichsten. Du kannst mir glauben, dass ich eine Menge dafür geben würde, jemanden wie sie auf unserer Seite zu wissen.« Er lachte bitter auf. »Aber das ist eine verrückte Vorstellung. Sie war meine schlimmste Gegnerin, und ich fürchte sie. Nicht so sehr wie die Drakken, aber dennoch.«
Quendras brummte etwas, das Chast nicht verstand. Er beschloss, dieses Treffen zu beenden. Seine Laune war verdorben und ihn dürstete danach, sich ins Gefecht zu werfen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Gegen diese Adeptin konnte er im Augenblick nichts ausrichten - aber Rasnor, den konnte er herholen, um sich von ihm über die Geheimpolizei berichten zu lassen.
»Wende dich wieder deinen Forschungen zu«, befahl Chast. »Und sieh zu, dass es Ergebnisse gibt. Halte mich darüber auf dem Laufenden. Es könnte sein, dass wir bald alles brauchen, was uns an Macht zur Verfügung steht. Besonders wegen der Drakken.« Quendras erhob sich.
»Sag draußen Bescheid, dass man Rasnor zu mir schickt. So schnell es geht. Er soll aber noch nicht erfahren, was ich von ihm will. Du kannst jetzt gehen.«
Quendras nickte wortlos und verließ den Raum.
Chast wandte sich, entgegen seinen Gewohnheiten, dem offenen Fenster zu und blickte hinaus aufs Meer. Er, der er die Dunkelheit und Abgeschiedenheit liebte, fühlte plötzlich eine Sehnsucht nach Weite und Offenheit, denn es schien, als wäre nun nicht mehr er der Herr der verborgenen und düsteren Orte, sondern die Drakken, die von irgendwoher gekommen waren, wahrscheinlich von jenseits dieser Welt, und deren Geheimnisse bei weitem finsterer und abgründiger waren als die seinen.
Eine halbe Stunde später klopfte es und Chast erwachte bei dem Pochen an der Tür wie aus einem Traum. Verwundert stellte er fest, dass er die ganze Zeit über am Fenster gestanden und nachgedacht hatte.
Er wandte sich seinem Schreibtisch zu und rief: »Herein!«
Die Tür öffnete sich und Rasnor trat in den Raum.
Chast beobachtete, wie der untersetzte Mann hereinkam und näher trat, schließlich in gebührendem Abstand vor seines Meisters Schreibtisch stehen blieb und den Blick senkte. Chast fühlte sich ein wenig abgestoßen. Nach der
Begegnung mit einem Respekt gebietenden Mann wie Quendras war der Auftritt dieses kleinen Widerlings entmutigend. Aber dennoch - Chast hatte sich bereits etwas ausgedacht und manchmal waren selbst solche Kriecher wie Rasnor zu etwas nutze.
»Setz dich!«,
Weitere Kostenlose Bücher