Höhlenwelt-Saga 03 - Der dunkle Pakt
Tirao entschuldigend, aber ich hin schon zwei Tage und zwei Nächte fast ohne Unterbrechung unterwegs. Ich bin müde und kann nicht mehr schneller.
Leandra schnaufte. Ihre Freude über die Nachricht von Victors Verbleib verwandelte sich in Bestürzung. Sogar das Allerschlimmste war jetzt zu befürchten: dass Chasts Leute sie erreicht und gefangen genommen, ja am Ende gar getötet hatten. Aber, stieß sie hervor, wo liegt überhaupt dieses Hammagor?
Hammagor ist weit von hier, erwiderte Tirao. Es liegt in der Hochebene von Noor - jenseits des Salmlandes und des Landbruchs. Ulfa sagte uns schon auf dem Flug dorthin, dass wir verfolgt würden. Auch von den fremden Wesen - den Drakken.
Leandra stieß ein verzweifeltes Stöhnen aus. Urplötzlich fasste sie einen Entschluss. Sie konzentrierte sich mit aller Macht und stieß dann einen brachialen Hilferuf ins Trivocum - einen Schrei nach Ulfa.
Der Primas zuckte unter der plötzlichen Gewalt ihres Rufes zusammen. Die magische Grenzlinie zwischen dem Diesseits und dem Stygium fing ihre Botschaft auf wie ein stiller Teich, in den ein riesiger Felsbrocken stürzte. Ein gewaltiger Wellenschlag breitete sich in alle Richtungen aus. Es bestand durchaus eine Möglichkeit, dass Ulfa das vernahm - selbst wenn er sich in Bor Akramoria aufhielt, das fast tausend Meilen entfernt bei den gewaltigen Ishmarfällen lag.
Doch es kam keine Antwort.
Leandra spürte, wie der Drache schneller wurde, und sie fühlte sich schuldig, weil sie den armen Tirao, der schon sein Äußerstes gegeben hatte, abermals zu höchster Eile antrieb.
Tirao... hör auf!, bat sie ihn und spürte Tränen in den Augen. Du bist müde! Ich will nicht, dass du...
Dein Schrei hat mich wieder wach gemacht, sagte er trocken. Außerdem müssen wir wirklich nach Victor und Roya sehen. Was, wenn wir ihnen hätten helfen können, nun aber zu spät kommen, bloß weil ich müde war?
Leandra stöhnte leise.
»Ich... ich glaube, ich habe ein bisschen davon mitbekommen, worüber ihr geredet habt«, meldete sich der Primas unsicher zu Wort. »Die Sprache, die ihr gebraucht - nun, sie ähnelt hier und da einigen alten Sprachen, die ich früher einmal studiert habe. Hauptsächlich dem alten Anglaan.« Er betrachtete ihr Gesicht. »Er ist müde, nicht wahr? Und muss noch weit fliegen?«
Leandra nickte. »Ja, das stimmt.«
Er zögerte. »Nun... ich wüsste ein paar Magien, mit denen ich ihn ein wenig munterer und kräftiger machen könnte. Allerdings...«
Es schien fast ein bisschen grotesk, dass ein so kleiner Mensch ein so gewaltiges Wesen wie diesen Drachen zu stärken vermochte. Dennoch, Leandra wusste, dass dergleichen in Jockums Macht stand.
»Was... allerdings?«, fragte sie.
»Nun ja - nachher ist man dann umso müder. Weißt du nicht mehr - Munuel? Der hat dich doch damals nach einem wirklichen Teufelsritt aus diesem Totenzug gerettet. Da hat er auch so eine Magie angewandt, um sein Pferd zu beflügeln. Das Tier ist die achtzig Meilen in die südakranischen Hügel nur so dahingeflogen. Ich habe ihn damals wegreiten sehen, vom Ordenshaus. Ich glaube, sein Pferd ist beinahe so schnell galoppiert, wie Tirao im Augenblick fliegt.« Er schickte seinen Worten ein unsicheres Lächeln hinterher.
Leandra sah unwillkürlich nach unten, um Tiraos Geschwindigkeit abschätzen zu können. Das war natürlich unmöglich. Sie flogen durch die Nacht, und alles, was Leandra dort unten sehen konnte, war die schwarze Fläche eines riesigen Waldes. Zufällig waren es genau jene südakranischen Hügel, in denen sich dies alles vor ungefähr einem Jahr zugetragen hatte. Wie auch immer - ein Pferd würde kaum so schnell galoppieren können wie ein Drache flog.
»Man ist nachher umso müder?«
»Ja, natürlich. Ein Körper kann nicht aus dem Nichts heraus mehr Energie erzeugen, als es ihm unter normalen Umständen möglich wäre. Man kann ihn mit einer geschickten Magie dazu bringen, mehr zu leisten - nun ja, man kann alles Mögliche verbessern, was die Medizin uns lehrt. Das ist keine große Sache. Aber es kostet seinen Preis. Nachher.«
»Ist es schlimm?«, fragte sie leise, so als könnte Tirao lauschen. »Würde es seine Gesundheit angreifen?«
Der Primas schüttelte den Kopf. »Ich kann ja auf ihn achten«, schlug er vor. »Ich kann aufpassen, dass er sich nicht übernimmt. Das Einzige wäre... ich müsste ihn danach mit einer weiteren Magie in einen ruhigen Schlaf versetzen, und er müsste viel Zeit haben, um sich ausruhen zu
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