Höhlenwelt-Saga 03 - Der dunkle Pakt
während er hinabtappte.
Rasnor entschloss sich, eine Stufe zu nehmen. Und natürlich: Es klickte
Schwer atmend verharrte er. Wie oft durfte es klicken? Er hätte diese Frage am liebsten hinaus in die Dunkelheit geschrien!
Dann kam ihm der rettende Gedanke. Wenn es auf dem Weg hinauf zweimal klick machen durfte, bevor man immer zwei Stufen übersteigen musste, dann galt das, aller Logik nach, auch für den Rückweg! Es hatte bereits zweimal geklickt: auf der letzten Stufe seines Hinaufwegs - dort hatte er sich dann umgedreht - und auf der ersten Stufe seines Hinabwegs - dort, wo er jetzt stand! Also musste die nächste Stufe stumm bleiben!
Mutig trat er einen Schritt abwärts - und ihm wurde schlecht vor Angst, als diese Stufe ebenfalls klickte! Was, bei allen Höllen, war hier los? Das konnte nicht sein! Verhielt es sich etwa beim Rückweg anders? Was hatte ihm Quendras, dieser Dreckskerl, alles verschwiegen?
Rasnor war völlig aufgelöst, Tränen liefen ihm über die Wangen. Er dachte an Magie, wusste aber keine, womit er gegen diesen vermaledeiten Treppenmechanismus hätte ankämpfen können, zumal er nicht einmal ahnte, was passieren würde, wenn er ihn auslöste. Er stieß ein verzweifeltes Heulen aus.
Dass gleich darauf dort oben die Stimmen tatsächlich verstummten, bekam sogar er mit.
Er schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund und fuhr herum, um dem Unvermeidlichen entgegenzusehen. Gleich darauf vernahm er die Geräusche mehrerer schneller Schritte und dann waren sie da: drei Personen. Nur ihre Umrisse waren vor dem Licht des Ganges zu erkennen, aber an der Kopfform sah er, dass zwei Frauen darunter waren - ihre langen, über die Schulter fallenden Haare kennzeichneten sie. »He! Wer ist da?«, vernahm er wieder die weibliche Stimme, die er nicht kannte. Leandra?!
Roya erkannte er, sie war ein zierliches junges Ding und nach allem, was er über Frauen sagen konnte, ziemlich hübsch. Die andere jedoch überragte Roya um mehr als einen halben Kopf und ihre Gestalt wirkte wie von königlichem Wuchs. Sie hatte eine riesige, lockige Haarmähne, die ihr nach links über die Schulter fiel, während die andere frei war. Ihre Beine waren lang und schlank und sie bewegte sich auf eine Weise... Es konnte niemand anderes als Leandra sein.
Rasnor stockte der Atem. Ein lähmender Schauer durchströmte seinen Körper. Dann tauchte eine vierte Person auf, es war Victor, der eine Fackel trug. Er baute sich direkt neben dieser Frau auf.
Der Fackelschein fiel über ihr Gesicht und für Momente sah Rasnor etwas, was er noch nie zuvor erblickt hatte: Sorge! Sorge um ihn, der dort hilflos auf der Treppe stand... In diesem Augenblick wurden ihm zwei Dinge klar: Zum einen würde sie ihn kaum richtig sehen können, denn er stand ein gutes Stück unterhalb von ihr in der Dunkelheit, und zweitens kannte sie ihn nicht. Und trotzdem spiegelte ihr Gesicht Sorge um ihn, einen Unbekannten, einen fremden Mann, dessen Absichten sie nicht kannte und der - aber das konnte sie in diesem Augenblick nicht wissen - zu ihren ärgsten Feinden zählte.
Rasnors Knie wurden weich. Zumal dieses Gesicht so unglaublich und engelhaft schön war, dass er die plötzliche, absolute Gewissheit verspürte, dass es kein schöneres auf der ganzen Welt geben könne.
»Rasnor!«, hallte plötzlich ein heiserer Ruf durch die Halle.
Er zuckte unter der Wucht des Schreis zusammen und seine Augen hefteten sich auf Victor - auf dessen wutverzerrtes Gesicht, seine gebückte Haltung, wie zum Sprung bereit, und Rasnor wusste, dass ihn nur die verwünschte Treppe schützte, sonst wäre Victor jetzt wahrscheinlich mit wilden Sprüngen herabgerannt gekommen, um über ihn herzufallen. Und Leandra stand auf der Seite dieses widerlichen Kerls dort und keinesfalls auf seiner, auch wenn ihr Gesicht diese Sorge gezeigt hatte.
»Rasnor?«, hörte er sie leise fragen.
»Ja!«, knirschte Victor voller Zorn. »Der verfluchte Dreckskerl, den Chast uns hinterhergeschickt hat! Der Erzquästor des Ordens von Yoor«
Der ätzende Spott, mit dem Victor seinen Titel ausgesprochen hatte, holte aus der Tiefe von Rasnors Gefühlen wieder den alten Hass herauf, den er für diesen Dreckskerl, der ihn mehrfach vor Chast gedemütigt hatte, empfand. Für einen Augenblick überlegte Rasnor, ob er seine Magie, mit der er Quendras gefällt hatte, losbrechen lassen sollte. Aber ihm war klar, dass er damit Leandra ebenfalls verletzen, wenn nicht gar töten würde.
Das konnte er nicht.
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