Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
Persönlichkeit könnte dort umgekommen sein!«
»Ach so!«, sagte Lorin von Jacklor. »Warum habt ihr das nicht gleich gesagt?«
Leandra seufzte. So einfach war das.
Dieser Victor war ein recht junger Mann um die fünfundzwanzig, vielleicht sogar noch ein wenig jünger. Er war ein kräftiger Typ, groß und breit gebaut, aber das war schon alles, was ihm äußerlich zur Ehre gereichte. Seine Haare hingen in Strähnen ins Gesicht, und er sah vollkommen verwahrlost aus. Er roch nicht besonders gut und trug einen mehrtägigen Bart. Seine Kleider waren kaum noch Lumpen zu nennen, und er saß verbittert in einer Ecke seiner winzigen, kalten Kerkerzelle auf einem Haufen altem Stroh. Als Leandra und Munuel die Zelle betraten, blickte er kurz auf, maß sie mit toten Blicken und sah dann wieder weg.
Leandra drehte sich zu dem Gardisten um. »Ihr könnt uns eine Weile allein lassen«, sagte sie zu ihm.
Der Mann war unschlüssig. »Das darf ich nicht. Der Kerl ist gefährlich. Er könnte Euch etwas antun!«
»Wir sind Magier«, sagte sie leise zu ihm und schob ihn hinaus. »Wir können uns verteidigen. Warte draußen, ja?«
Der Soldat widersprach nicht. Es war möglicherweise das erste Mal, dass er einer Dame im Festgewand gegenüberstand.
Munuel hockte sich gegenüber dem Mann auf die Fersen.
»Hallo«, sagte er.
Der Mann erwiderte nichts, wandte den Kopf noch mehr zur Seite.
»Wir wollen dir nichts tun ...«, begann Munuel, aber er wurde schroff unterbrochen.
»Was könnt Ihr mir schon noch tun? In ein paar Stunden bin ich tot!«, krächzte der Mann.
Munuel blickte zu Leandra auf, wusste nicht recht, wie er fortfahren sollte.
»Es tut mir Leid, dass man dich verurteilt hat«, sagte Munuel unschlüssig - wohl mehr von dem Impuls getrieben, dem Mann sein Bedauern auszudrücken.
»Ha! Das klingt ja, als wüsstet Ihr, dass ich an dem verfluchten Brand vollkommen unschuldig bin!«
»Ja, wir wissen das«, sagte Munuel sanft, »aber das Urteil ist gesprochen. Vielleicht kannst du uns noch etwas mitteilen ...«
»Ihr wisst das?«, schrie der Mann und rappelte sich hoch. Er stürzte sich auf Munuel und packte ihn am Kragen. »Dann tut verdammt noch mal was für mich! Ihr blöden Lackaffen!« Er schüttelte Munuel aus Leibeskräften. »Ihr kommt hier rein«, rief er, »und wollt noch irgendeinen Scheiß von mir wissen, damit ich das schöne Gefühl habe, noch wem geholfen zu haben, bevor diese Schweine mich umbringen!«
Der Gardist kam im nächsten Moment hereingestürzt, aber Munuel hatte sich schon befreit. »Ist schon gut, Soldat. Es ist nichts passiert!«
Der Gardist brummte, zögerte noch einige Augenblicke, ließ sich dann aber von Leandra hinausschieben.
»Hör mich an ...«, begann Munuel aufs Neue, aber Leandra unterbrach ihn.
Der Kerl stank und war nicht gerade die Freundlichkeit in Person, aber sie verspürte unsägliches Mitleid mit ihm. »Warte, Munuel!«, sagte sie und zog in beiseite.
»Wir müssen ihm irgendeine Aussicht bieten«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Er hat allen Grund, von dieser miesen Welt zu gehen und jedes verdammte Wort, das er weiß, mit ins Grab zu nehmen!«
»Aber was sollen wir ihm bieten?«, fragte Munuel leise. »Jeder hier im Raum, einschließlich der Ratten und Spinnen, weiß, dass er sterben wird! Wir können ihn nicht mehr retten, und wenn er zehnmal unschuldig ist!«
»Dann wird es verdammt noch mal Zeit«, zischte sie wütend, »dass wir diese Welt auf den Kopf stellen!« • »He!«
Sie wandten sich beide um und sahen in ein verbittertes Gesicht. Er saß wieder am Boden, blickte nun aber geradewegs zu ihnen auf. Leandra musterte ihn. Die Augen des Mannes waren wach und klug, sein Gesicht war nicht einmal hässlich. Unter all dem Dreck mochte vielleicht ein anständiger Kerl stecken. Plötzlich kam sie sich ziemlich blöd vor. Sie trug noch immer das Ballkleid. Hier wie eine Prinzessin in dieser Todeszelle zu stehen ärgerte sie maßlos.
»Was wollt Ihr von mir wissen?«, flüsterte er. Seine Stimme war plötzlich klar und kühl geworden.
Leandra beugte sich zu ihm nieder. »Wir wissen von dem Totenzug«, sagte sie in einem plötzlichen Bedürfnis, grundehrlich zu sein. Man musste einen Mann, der an der Stelle des Todes stand, nicht auch noch anlügen. »Ich habe ihn selber gesehen, ich war sogar ... ach, vergessen wir das. Aber wir glauben, dass der Gasthof mit einer ganz speziellen Absicht niedergebrannt wurde. Wir müssen wissen, wer sich in dieser Nacht dort
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