Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
paar alte, hässliche Mäntel - in Männergröße.
Einer der Kerle hob einen der Mäntel auf und gab ihn Leandra. »Hier, zieh den an!«
Leandra zitterte vor Angst. Sie nahm den Mantel und wickelte sich hinein, so schnell sie konnte. Er kratzte scheußlich, aber wenigstens war sie jetzt nicht mehr nackt.
»Pass auf, Mädchen!«, sagte der Mann und beugte sich zu ihr hinab. Er drohte ihr mit dem Finger. »Wir gehen jetzt weiter. Wenn du schreist, schlag ich dich tot, verstanden?«
Der Kerl war an die vier Ellen groß und muskulös, und er trug den Gesichtsausdruck eines üblen Gassenschlägers. Sie zweifelte nicht daran, dass er seine Drohung wahr machen würde. Im Moment konnte sie nicht den kleinsten Gedanken fassen. Noch nie hatte sie jemand mit solcher Gewalt bedroht. Sie fühlte sich hilflos ausgeliefert. Vielleicht bekam sie später Gelegenheit, sich zu überlegen, wie sie aus dieser Lage wieder herauskam. Sie nickte furchtsam.
Der andere Mann, etwas kleiner, dafür noch breiter gebaut, zog einen Mantel an und reichte seinem Kumpan einen weiteren. Leandra sah, dass noch mehr Mäntel dort lagen.
Der Kleinere stieß die Tür auf und Licht drang herein. Der andere schubste Leandra vorwärts. Barfuss, nur in den kratzenden Mantel gehüllt, trat sie hinaus und stand auf einer Art Holzbrücke. Weit unter ihr breitete sich Savalgor aus, sie erkannte den Palast und den Nordteil der Stadt. Sie schienen oberhalb der Hafengegend zu sein, hoch droben an dem felsigen Hang, an dem die Häuser der Stadt emporgewachsen waren.
Die Männer führten sie über Stege und Brücken, die sich zwischen verkommenen Gebäuden spannten. Hier und da sah sie Leute, aber es waren keine von der Art, die man um Hilfe anrufen würde. Es war die übelste Gegend, und sie befand sich in der Gewalt zweier Kerle, die vielleicht sogar noch zu den Netteren hier zählten.
Sie stiegen hölzerne Stufen hinab, durchschritten eine dicke Tür und liefen einen dunklen Gang in irgendeinem Gebäude entlang. Sie hörte kurz Kneipenlärm, dann wurde eine Tür zu ihrer Linken geöffnet. Einer der Kerle riss ihr den Mantel vom Leib und stieß sie grob in den dahinterliegenden Raum. Leandra taumelte hinein, fing sich jedoch wieder. Im nächsten Moment krachte die Tür hinter ihr zu.
Sie fuhr herum und starrte auf die geschlossene Tür. Auf den ersten Blick erkannte sie, dass die Tür dick und undurchdringlich war. Sie sah sich wieder um und blickte in den Raum. Es herrschte gedämpftes, rötliches Licht, und erstaunt stellte sie fest, dass sie nicht allein war.
Sechs andere Frauen kauerten am Boden. Alle waren jung, und keine von ihnen trug auch nur einen Fetzen am Leib. Fünf von ihnen sahen Leandra mit toten Blicken an. Die sechste saß zusammengekrümmt in einer Ecke auf einem Strohsack und schluchzte.
Leandra erkannte sie.
Es war die junge Schönheit, die sie auf der Liege in der Schwimmhalle gesehen hatte.
Langsam dämmerte Leandra, was hier im Gange war. Sie sah nach den anderen, aber keine von ihnen schien in der Stimmung zu sein, ihr irgendwas sagen zu wollen. Es war nur allzu klar, wohin sie geraten war. Leandra vergrub ihr Gesicht in den Händen. Sie versuchte, ihre Angst zu verdrängen und den Kopf wieder klar zu bekommen.
Das Schluchzen des Mädchens in der Ecke durchdrang nach einiger Zeit die Wand ihrer eigenen Verzweiflung.
Nach kurzem Zögern setzte sie sich zu ihr und legte ihr tröstend den Arm über die Schulter.
7 ♦ Alina
S ie war neunzehn Jahre alt, ihr Name war Alina und sie war tatsächlich das schönste Mädchen, das Leandra jemals gesehen hatte. Ihre glatten rehbraunen Haare fielen wie Seide über die Schultern; ihr Gesicht war von leicht nordländischem Schnitt und trotzdem ebenmäßig und zart; mit einem vollen Mund und großen braunen Augen, deren Blick etwas Magisches hatte. Wenn dieses Mädchen lachte, würde man mitlachen müssen, und wenn es weinte, dann war man ebenso verloren. Alina war so groß wie Leandra, obwohl noch ein wenig zarter gebaut. Die Proportionen ihres Körpers waren auf beinahe schon übernatürliche Weise vollkommen. Ihre Haut besaß einen warmen, gesunden Ton, und auch ihre kleinsten Bewegungen waren von einer Anmut, die Leandra ein hilfloses Seufzen abgerungen hätten - wäre die Situation nur ein bisschen erträglicher gewesen.
Alina jedoch unter diesen furchtbaren Umständen kennen zu lernen war ein Unglück von besonderer Art. Dieses wundervolle Mädchen so hilflos und verzweifelt zu
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