Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
sie das Mädchen wieder los. »Wie heißt du?«, fragte sie.
»Azrani. Und du?«
»Leandra.«
Azrani nickte. Die kleine Dunkelblonde stand auf und trat hinzu. Leandra sah schon im ersten Augenblick, dass sie Energie besaß; sie war entschlossen, dieses Schicksal nicht hinzunehmen. »Ich bin Hellami«, sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. »Und ich will hier raus!«
Es war wie das Signal, auf das Leandra gewartet hatte. »Ja«, sagte sie. »Ich auch. Aber ... jetzt sagt mir doch mal, was hier wirklich vor sich geht? Verschleppung und Mädchenhandel mitten in Savalgor? Das kann ich nicht glauben!«
Hellami breitete die Arme aus. »Ich weiß es auch nicht. Aber ich glaube, es geht um besondere Kundschaft. Ich bin seit einer Woche hier. Alle zwei Tage geht die Tür auf, und Guldor, der Kerl, dem dieser Laden hier gehört, kommt herein. Er hat dann meistens einen Kunden dabei, der eines der Mädchen mitnimmt. Schon drei sind gegangen, seit ich hier bin.«
»Besondere Kundschaft? Was sind das für Leute?«
»Große Kerle in dunklen Gewändern«, sagte Azrani. »Sieht aus wie Mönchsroben. Alle Mädchen sind von solchen Kerlen geholt worden. Seit ich hier bin, waren es schon zehn oder zwölf.«
Ein Schauer fuhr über Leandras Rücken. »Männer in dunklen Roben? Was für Leute sind das?«
Hellami zuckte die Schultern. »Irgendwelche Mitglieder eines Ordens. Ich hab unten mal gehört, wie jemand von einer Bruderschaft sprach.«
Leandras Nackenhaare stellten sich auf. »Eine Bruderschaft?«
»Ja. Hast du auch schon davon gehört?«
Leandras Herz pochte dumpf. Sie nickte, aber sie sagte nichts dazu. Im Moment hielt sie es für besser zu schweigen. Sie hätte ihre magischen Fähigkeiten preisgeben müssen, und das wollte sie nicht. Erstens konnte sie damit ohnehin nichts ausrichten, und zweitens mochte es sich nachteilig für sie auswirken, wenn vielleicht einer ihrer Entführer davon erfuhr. Die Stichworte Bruderschaft und Männer in schwarzen Roben machten ihr Angst.
Was sie über Limlora wusste und dass diese untadelig geglaubte Herrschertochter in Wahrheit irgendetwas Finsteres mit einer Bruderschaft zu tun hatte war nicht gerade beruhigend. Mord gehörte mit dazu.
Sie wandte sich wieder an Hellami. »Du sagtest, unten. Was meinst du damit?«
Hellami deutete zu Tür. »In der Kneipe. Das hier ist ein Hurenhaus von der schönsten Sorte. Eine Menge Mädchen laufen da rum, dazu Seeleute, Hafenarbeiter, Ganoven. Alles mögliche, was du dir nur denken kannst.«
»Und wie kommt man da runter?«
Hellami setzte ein Lächeln auf und stützte die Hände in die Hüften. So, wie sie dastand, war sie auf ihre Weise ein ziemlich hübsches Mädchen - sie wirkte sehr sinnlich, ja geradezu aufregend. Sie deutete auf die Tür. »Wir sind nicht eingesperrt. Du kannst jederzeit raus!«
Leandra bekam große Augen. »Was sagst du da? Die Tür ist offen? Wie ... Du lieber Himmel, warum seid ihr dann alle noch hier? Warum haut ihr nicht ab?«
Hellami verzog das Gesicht und wies auf Leandras Körper. »Wie denn? Nackt vielleicht?«
Leandra schluckte.
Marina, die große Dunkelhaarige, kam herbei. »Wir dürfen uns frei im Haus bewegen«, erklärte sie.
»Dummerweise ist das hier der einzige Raum, in dem wir in Ruhe gelassen werden. Dass sie uns nichts zum Anziehen geben, ist das Teuflische an der Sache.«
Azrani sagte: »Du kannst ja mal, so wie du bist, auf die Straße hinauslaufen und einen Wachsoldaten, wenn du hier einen findest, um Hilfe bitten. Ich fürchte, da landest du eher im Gefängnis und wirst wegen Unsittlichkeit und Hurerei eingekerkert, als dass dir jemand hilft.«
»Aber ... sind wir gar nicht bewacht?«
»Doch, natürlich«, sagte Hellami und winkte ab. »An den Türen stehen Guldors Schergen. Wir könnten das Haus gar nicht verlassen, ob nackt oder nicht.«
»Und ... warum bist du runtergegangen?«
»Das Klosett und das Waschzimmer sind unten«, sagte sie. »Und die Küche. Ein, zweimal am Tag wirst du auch runtermüssen.«
»Und da unten ist die Kneipe, oder? Laufen denn die Huren da auch nackt herum?«
»Natürlich nicht«, sagte Hellami, schüttelte den Kopf und deutete an die Wand. Leandra erblickte an Haken hängend zwei Kleidungsstücke, die man eigentlich gar nicht als solche bezeichnen konnte. Es handelte sich um dünne, kurze Hemdchen, halb durchsichtig und an den Rändern mit einer hässlichen rosa Borte besetzt. »Das Zeug da kannst du anziehen. Wir haben nur zwei davon,
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