Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
übern Weg laufen.«
»Was machst denn du? Du hast doch auch keins!«
»Ich bleib immer hier unten, in den Kellern.«
Alina deutete in Richtung Decke. »Ich muss nach Torgard. Das
geht nur oben herum. Früher gab es Gänge unter dem Meer hindurch, aber die sind jetzt voller Wasser.«
»Torgard? Was is’n das?«
Sie überlegte, ob sie ihm die Wahrheit erzählen konnte. Er war
so gut zu ihr, dass sie ihn nicht anlügen mochte. »Eine geheime
Shabibsfestung aus alter Zeit.
Sie liegt in dem großen Stützpfeiler draußen vor der Hafeneinfahrt. Im Meer.«
Er zog die Brauen hoch. »Da willst du hin? Da brauchste ‘n
Boot!«
Sie nickte. »Und so ein Halsband. Nachts hinüber zu rudern –
das ist zu gefährlich. Der Hafen wird von Drakkenpatrouillen bewacht, sogar draußen über dem Wasser schwebt eines ihrer
Schiffe.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass man es
nachts schaffen kann. Es geht wohl nur tagsüber – vielleicht als
Fischer. Und dazu braucht man so ein Halsband. Hast du eine
Idee, wo man eins herbekommen kann?«
Er spitzte nachdenklich die Lippen und blickte sie dann lange
forschend an.
Wieder nahm er sie am Ellbogen und führte sie ein Stück fort,
durch einen weiteren Durchgang hindurch. Dann hielt er an und
hob einen Zeigefinger. »Du wartest jetzt hier, ja? Und rührst dich
nicht von der Stelle, verstanden?« Sie sah ihn fragend an, aber er
nickte ihr nur kurz zu und ließ sie dann in der Dunkelheit stehen.
Schnell lief er zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Alina blieb, wo sie war. Sie blickte ihm hinterher; ein schwacher
Lichtschein zeigte ihr, wo er verschwunden war. Sie hatte keine
Ahnung, was Matz dort tat.
Es dauerte ziemlich lange, ehe er wieder kam, wohl zehn Minuten. Alina wurde immer unruhiger und rief mehrfach nach ihm. Er
antwortete jedes Mal, rief aber nur, sie solle bleiben, wo sie war.
Als er endlich zurückkam und sie ihn ansah, blieb ihr das Herz
stehen.
Er war blutbesudelt, sein Hemd sah aus, als hätte man einen
ganzen Eimer voll darüber gegossen, und auch seine Hände waren rot. In der Rechten hielt er ein Drakkenhalsband. Es war intakt, es bildete eine vollständige Schleife und war an keiner Stelle
durchtrennt. Als Alina begriff, was das bedeutete, wandte sie sich
um und übergab sich. Sie spie sich die Seele aus dem Leib, doch
der Brechreiz wollte kaum mehr nachlassen. Matz kniete sich voller Sorge zu ihr, versuchte sie zu beruhigen, aber sie hielt die
Hände abwehrend hoch und schrie ihn an, er solle ihr vom Leib
bleiben.
Es dauerte lange, ehe ihr Magen sich beruhigt hatte. Kraftlos
kauerte sie auf den Stufen einer Treppe. Dass der über und über
mit Blut verschmierte Matz auf den Knien vor ihr saß und eine
jammervolle und von Sorgen gezeichnete Miene trug, machte es
nur umso schlimmer.
Er beteuerte, dass er ihr wirklich nur einen Gefallen hatte tun
wollen, schließlich wäre sie die Shaba und Guldor wäre längst tot
gewesen, also machte es einfach keinen Unterschied. Das Halsband des fetten Kerls, erklärte Matz, wäre garantiert weit genug,
dass es über Alinas Kopf passte. Sie könnte es hinten am Hals,
unter ihrem Zopf versteckt, mit einer Klammer zusammenfassen,
sodass es vorn eng anlag und das leuchtende Symbol zeigte.
Alina starrte ihn voller Elend an. Seine Idee war schlau, aber sie
könnte das Ding niemals anlegen, nicht nach dem, was Matz getan hatte.
Endlich schaffte er es, sie wenigstens dazu zu bringen, diesen
Ort zu verlassen, denn es bestand die Gefahr, dass sein Kumpan
wiederkam.
Blutverschmiert, wie Matz war, schaffte er sie fort, durch endlose Kellergänge und Tunnel in einen ganz anderen Teil des Hafens.
Sie ließ sich widerspruchslos von ihm führen.
Matz hingegen empfand keine Schuld. Obwohl er so etwas wie
ein gutes Herz zu besitzen schien, oder wenigstens ein bisschen
davon, waren ihm Gewissensbisse fremd. Sowohl für den Mord an
Guldor wie auch für die Tat, mit der er das Drakkenhalsband erlangt hatte, glaubte er, einen guten Grund vorweisen zu können,
und das schien ihm zu genügen.
Alina hingegen lernte in diesen Stunden eine so seltsame und
erschreckende Lektion über das Leben, dass sie nicht mehr wusste, ob sie jemals noch Shaba sein wollte.
16
Allein
Alina hatte das vermaledeite Halsband bei sich, aber sie trug es
nicht. Matz war auf seine seltsam kindhafte und unbedarfte Weise
so freundlich und hilfsbereit zu ihr gewesen, das sie es nicht
übers Herz gebracht hatte, ihn zu verstoßen –
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