Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
Saligaan brachten. Um die Mittagszeit machten sie Rast. Zum
Glück hatte Cleas einiges an nahrhafter Kost eingepackt, denn
Alina fühlte sich inzwischen doch wieder müde. Er belegte ihr Brot
mit einem dicken Streifen Speck und Hartkäse. Das war eigentlich
nicht ihre Art von Kost, aber sie schlang es förmlich herunter. Sie
trank sogar den roten, gewässerten Wein, den er ihr anbot, und
da sie sonst so gut wie nie Alkohol zu sich nahm, geriet sie daraufhin in eine regelrechte Hochstimmung. Benni war auch bei
ihnen, er lag auf dem Boden und kaute auf einem harten Speckstreifen herum, während sie beide sich im Schneidersitz gegenüber saßen.
Plötzlich hörte Alina etwas.
Sie richtete sich auf und spitzte die Ohren. Das Geräusch war
ganz in der Nähe und sie kannte es nur allzu gut. Das tiefe Summen, das an ihre Ohren drang, würde zu einem Jaulen anschwellen, wenn irgendwelche Maschinen hochgefahren wurden. Sie
saßen in viel zu freiem Gelände, auf einer schräg zum Fluss hin
abfallenden Wiese, die mit Gesteinsbrocken übersät war. Alina
fluchte leise, dass sie so unvorsichtig gewesen waren, ihre Rast
nicht am Waldrand oder besser noch im Wald abzuhalten.
Dann sah sie es: Direkt in ihrer Blickrichtung, über Cleas’ Schulter hinweg, kam ein Drakken-Wachschiff langsam den Fluss herauf. Es war so urplötzlich aufgetaucht, dass sie keine Chance
mehr hatten, in den nahen Wald davonzurennen. Die Drakken
würden sie sehen und dann war es aus mit ihnen. Sie waren nur
noch eine Drittelmeile von ihnen entfernt.
Von dem Schreck wurde ihr beinahe schwindelig. Aber im nächsten Augenblick kam ihr siedend heiß eine Erinnerung. Während
ihre Hand nach Benni schoss, ihn am Nackenfell packte und ihn
zu Boden drückte, zischte sie Cleas mit aller Schärfe zu: »Beweg
dich nicht!«
Cleas, der erschrocken über die Schulter in Richtung des Drakkenschiffs geblickt hatte, sah wieder zu ihr und begriff. Zwar
wusste er nicht, warum er sich nicht bewegen sollte, aber er gehorchte. Alina hielt die Luft an. Das Drakkenschiff schwebte langsam heran. Es hielt sich etwa dreißig Ellen über dem Wasser, genau über der Flussmitte. Hatten sie etwa Alinas Halsband schon
gefunden? Wenn ja, suchten sie jetzt mit Sicherheit die zugehörige Person. Das Summen wurde lauter, in gleichem Maße schienen
die Geräusche der Welt rings um sie zu ersterben. Einen Augenblick lang hatte Alina sogar das Gefühl, dass das Plätschern des
Wassers leiser geworden war.
Ihre Lunge begann zu schmerzen; sie hatte instinktiv die Luft
angehalten und nun öffnete sie langsam, sehr langsam den Mund
und ließ sie entweichen. Cleas saß ihr gegenüber und starrte sie
schreckensbleich an. Das Drakkenschiff war nun fast bei ihnen,
und seine Aufgabe lag ganz ohne Zweifel darin, die Umgegend zu
kontrollieren. Es war ein kleines Schiff von der Sorte, wie Alina
sie schon kannte.
»Die Piloten sind meistens nur einfache Drakkensoldaten«,
hauchte sie Cleas zwischen bewegungslosen Lippen hindurch zu.
»Sie sehen einen nicht, wenn man sich nicht bewegt.« Benni jaulte leise unter Alinas hartem Griff. Sie lockerte ihn ein wenig und
flüsterte Benni aus dem Mundwinkel zu, er solle ganz ruhig bleiben, ganz ruhig. Der Hund entspannte sich, winselte dabei leise.
Alina betete zu den Kräften, dass er nicht auf die Idee käme,
plötzlich aufzuspringen. Das Wachschiff flog metallisch brummend
an ihnen vorbei und zog weiter den Fluss hinauf. Die ganze Zeit
über war Alina sicher, dass sich jeden Augenblick das Geräusch
verändern würde; dass es aufjaulte und in ihre Richtung geschossen käme. Aber wunderbarerweise tat es das nicht. Als es um die
nächste Flussbiegung verschwunden war, stieß Cleas einen ganzen Schwall Luft aus. »Bei allen Dämonen!«, keuchte er und
stemmte sich in die Höhe. »Was war denn das? Die Drakken können einen nicht sehen, wenn man sich nicht bewegt?« Alina stand
ebenfalls auf. Ihr Herz pochte noch immer heftig, und sie starrte
den Fluss hinauf, wo das Schiff eben verschwunden war. »Ja, es
ist wirklich so. Es ist schon das dritte Mal, dass ich ihnen auf diese Weise entkomme.«
»Aber… das würde bedeuten, dass diese Wesen… dümmer als
die meisten Tiere sind! Nur Hasen und Rehe haben einen so einfachen Verstand, dass sie die Welt nicht begreifen können. Sie
reagieren nur! Das ist ja unfassbar! Werden wir von einem Volk
von Blödianen unterjocht?«
Alina schüttelte den Kopf. Sie starrte noch immer ungläubig auf
den Fluss.
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