Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
beinahe
wieder Ruhe; zwei Drakken waren bereits tot, der letzte kämpfte
gerade gegen den Wahnsinn, der scheinbar auch ihn befallen hatte. Sie konnte vor Dampf kaum etwas erkennen, aber sie sah,
dass eine neue Gefahr nahte, eine, die nicht minder tödlich war.
Wenn Benni den Drakken nicht losließ, würden sie abstürzen.
»Benni!«, schrie sie und kämpfte sich in die Höhe. Der Hund
wurde von dem tobenden Piloten, der seinen Arm wie wild bewegte, auf und ab geschleudert, aber er ließ ihn nicht los. Alina
stemmte sich mit Macht in die Höhe und kam endlich frei. Das
Schiff taumelte durch die Luft, die Fenster waren beschlagen. Sie
fand keine Zeit, eines davon frei zu wischen, um nachzusehen,
wie weit sie noch über dem Boden waren. In panischer Eile kämpfte sie sich nach vorn. »Benni!«, schrie sie wieder. »Lass los! Lass
ihn los!« Wunderbarerweise gehorchte der Hund. Ob es wegen
der Schärfe von Alinas Befehl war oder wegen den Schmerzen,
die er litt, konnte Alina nicht sagen, aber er ließ los. Vom letzten
Schwung des Drakkenarms wurde er auf der gegenüberliegenden
Seite des Pilotensitzes gegen die Scheibe geschleudert und
rutschte jaulend daran herunter. Der Drakken keuchte und fauchte, hantierte an den Bedienungsteilen seines Schiffs, aber dann
begann er plötzlich zu zucken. Sein Brustkorb verfiel in heftige,
unrhythmische Bewegungen, er löste die Hände von seinen Hebeln und fuchtelte wild umher.
Da sah Alina durch einen kleinen, halbwegs freien Flecken in der
vorderen Scheibe etwas auf das Schiff zurasen. Sie fand gerade
noch Zeit, irgendetwas zu packen, um sich festzuhalten. Dann tat
es einen mörderischen Schlag und alles um sie herum versackte
in Dunkelheit.
*
Alina erwachte von dem Gestank.
Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie besinnungslos gewesen
war. Dass die Drakken einen scheußlichen Geruch nach Urin und
Verwesung verströmten, war inzwischen weithin bekannt – ja,
man hatte sich fast schon ein wenig daran gewöhnt. Aber das hier
war mehr. Der Gestank des Todes war hinzugekommen, eines
Todes durch Gift und Fäulnis, vermischt mit weiteren Gerüchen,
die dem zerstörten Schiff entstammen mochten, in dem sie noch
immer lag. Mit einem Stöhnen schlug sie die Augen auf. Irgendwo
knisterte ein kleiner Brand; sie sah schwarzen Qualm, der aber
durch ein großes Loch direkt über ihr abzog. Ihr Blick war irgendwie getrübt. Als sie versuchte, die rechte Hand zu heben, um sich
über die Augen zu wischen, fuhr ein scharfer Schmerz durch ihren
Arm. Sie keuchte, registrierte, dass sie halb im Wasser lag. Etwas
stimmte mit ihrem rechten Arm nicht. Als sie den Kopf hob, um
danach zu sehen, wurde ihr schlecht. Der Unterarm war gebrochen, die rechte Hand stand in groteskem Winkel ab. Ihre Jacke
war aufgerissen, die rechte Brust entblößt und ein breiter, blutiger Streifen zog sich von den Rippen abwärts bis zur Hüfte. Mitten darin befand sich eine Fleischwunde, aus der etwas herausragte. Alina ließ den Kopf wieder sinken und begann hilflos zu
weinen.
Sie hatte überlebt – um den Preis, dass sie jetzt hier jämmerlich
sterben musste? Das war nicht gerecht! Ihr war klar, dass die vier
Drakken tot sein mussten; es war Benni gewesen, der sie umgebracht hatte. Sie hätte beinahe aufgelacht: Das Bellen eines Hundes vermochte ein schreckliches Kriegerwesen wie einen Drakken
zu töten! Unfassbar!
Sie hob den Kopf. »Benni?«, keuchte sie. Als Antwort kam ein
klägliches Winseln, doch für sie war es, als würde nach einer finsteren Nacht die Sonne aufgehen. Sie wusste nicht, ob sie hier
würde sterben müssen, und vielleicht war auch Benni nicht mehr
zu retten – sie konnte ihn nicht sehen. Aber es war unendlich
tröstlich, hier an diesem schrecklichen Ort nicht ganz allein zu
sein.
Leandra, dachte sie. Was würde Leandra nun tun? Vermutlich
würde sie trotz aller Schmerzen versuchen aufzustehen, nach
dem Hund sehen und irgendwie aus diesem zerstörten Schiff herauskommen.
Alina beschloss, das Gleiche zu versuchen. Mit einer Kraftanstrengung und nur einem Arm stemmte sie ihren Oberkörper hoch
– und starrte in das aufgedunsene, seltsam bleiche Gesicht eines
toten Drakken. Es war ein Glück, dass sie ihn nicht scharf sehen
konnte, denn der Anblick wäre wohl sonst noch widerlicher gewesen. Offenbar konnte sie auf kurze Entfernung etwas besser sehen als auf weite. Der Drakken hatte Schaum vor dem Maul und
blutige Nasenlöcher; seine Augen waren so weit hervorgequollen,
dass
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