Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
Es war ein blutiger Tag, viele Magier
waren gekommen, und Drachen wie auch Menschen, die hier lebten und dienten, wurden dahingeschlachtet. Der letzte Überlebende war ich selbst, und Sardin, den Anführer der Verräter,
stellte mich oben auf den Turm dieses Tempelbaus. Er war viel zu
stark für mich. Er lähmte meinen Körper und stieß mich hinab in
die Tiefe. Durch eine wundersame Begebenheit kam ich wieder,
aber ich bin heute nur noch ein Geistwesen, das nicht wirklich
lebendig ist.
Alinas Brustkorb hob und senkte sich angstvoll, als sie auf die
letzten Worte Ulfas wartete. Damals starb ich, der Oberste aller
Drachen, schloss Ulfa mit traurigen Worten. Ich fürchte, die Drachen würden als Sühne nur ein Opfer der gleichen Art akzeptieren.
Es dauerte einige Augenblicke, bis Alina begriff. Dann aber
drohten ihr die Knie nachzugeben.
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Opfergang
Nein!«, rief Roya aus, wohl zum hundertsten Mal. »Das lasse ich
nicht zu! Schlag es dir aus dem Kopf!«
»Aber es ist die einzige Möglichkeit!«, rief Alina zurück. Ihr Gesicht war vor Tränen gerötet, die Verzweiflung stand in ihrem
Gesicht geschrieben. Dennoch kämpfte sie für die Richtigkeit ihrer
Überzeugung – selbst angesichts dessen, was sie dann erwartete.
»Entweder ich – oder unsere Welt! Kann die Entscheidung da so
schwer fallen?« Roya marschierte nach wie vor im Raum auf und
ab, während Alina im Schneidersitz auf ihrer Schlafdecke saß.
»Schlag dir das aus dem Kopf!«, wiederholte sie. »Das kommt
nicht infrage!«
»Dann sag mir den Grund!«, verlangte Alina mit einem Aufbäumen von Wut.
Roya blieb stehen. »Weil es unmenschlich ist! Vielleicht tun die
Drachen dergleichen, wenn sie sich etwas beweisen müssen –
nicht aber wir Menschen, verstehst du? Wir bringen uns nicht um,
um jemandem zu zeigen, dass es uns Leid tut!«
»Aber hier geht es doch um die Drachen!«, erwiderte Alina hilflos. »Ich muss es nicht den Menschen beweisen. Sondern ihnen,
den Drachen!« Sie deutete in Richtung der Halle des Urdrachen.
Roya hob eine wütende Faust. »Ich schwöre dir – wenn du das
tust, werde ich überall herumerzählen, du wärest zur Bruderschaft übergelaufen! Ich werde sagen, du hättest uns verraten!
Ich werde dein Andenken beschmutzen, es mit Füßen treten! Verlass dich darauf – das tue ich!«
Alina spürte einen neuen Tränenschub. »Aber… aber warum
denn?«
»Weil ich es dir nie verzeihen würde! Du willst wirklich da in die
Tiefe springen? Du bist doch völlig verrückt!«
Alina winkte müde ab. »Was kümmert mich mein Ansehen, Es
geht um unsere Zukunft und darum, dass uns die Drachen helfen.
Diesen Preis ist es wert.
Lass mich mein Leben für etwas einsetzen, das es wert ist.
Niemand außer mir kann es tun – ich bin die Shaba.«
Roya trat zu Alina und ließ sich neben sie auf die ausgebreitete
Schlafdecke sinken. »Warum bist du nur so verzweifelt, Alina? Ist
es wegen Victor?
Was soll aus Marie werden, wenn er dich nicht mehr hat?«
Sie hob die Schultern. »Er hat ja noch Victor…«
»Dummes Zeug! Dieser ungehobelte Klotz könnte dich nie ersetzen. Alina, du musst mir etwas versprechen.«
Sie hob den Kopf, sah Roya aus tränenfeuchten Augen an.
»Du musst mir versprechen, keine Dummheiten zu machen. Wir
gehen morgen früh noch einmal zu Ulfa und reden mit ihm. Er
muss verstehen, dass wir Menschen anders sind als die Drachen.
Er muss uns eine andere Möglichkeit geben. Ich werde auf keinen
Fall akzeptieren, dass du dich opferst. Ich könnte nie wieder meinen Freunden gegenübertreten, wenn ich das zuließe.«
Alina schniefte nur.
»Was ist? Versprichst du es mir?«
Alina nickte schwach. Sie ließ sich auf ihre Decke niedersinken,
schlug sie über den Leib und vergrub das Gesicht in einem Tuch.
Roya holte sich ihre Decke und legte sich neben Alina.
Sie lag noch lange wach, während Alina schon bald eingeschlafen war. Später bekam Roya Angst, dass sie selbst einnicken und
Alina nicht mehr bewachen könnte. Sie entkleidete sich, bis sie
nur noch ein Unterhemd trug, und zog dann der tief schlafenden
Alina ebenfalls ihre Sachen aus – in der Hoffnung, dass sie dies in
der Kälte der Nacht noch mehr an ihren Schlafplatz fesseln würde. Dann schmiegte sie sich ganz fest an Alina, legte den rechten
Arm um ihren Bauch und wickelte sie beide, so gut es ihr eben
möglich war, in die Schlafdecken ein. Sie nahm sich vor, Alina die
ganze Nacht festzuhalten, damit sie ihr nicht entwischen konnte.
*
Irgendwann tief in der
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