Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
Hammerschläge und stauchten das noch glühende Eisen ihres
Plans zusammen. Bei jedem Schlag überlegte sie, ob ihr Vorhaben noch durchführbar blieb. Zum Schluss saß sie da wie durchgewalkt, hatte aber noch immer das vage Gefühl, dass es klappen
könnte. »Gut!«, keuchte sie und erhob sich.
Er stemmte die Fäuste in die Seiten. »Du bist einverstanden?«
Leandra nickte. »Ja, Rasnor. Danke.« Sie drehte sich auf dem
Absatz um und suchte das Weite, ehe ihr die Knie nachgaben.
Als sie seine Gemächer verlassen hatte und auf den Korridor hinaustrat, schnaufte sie, als hätte sie die Treppe zum Palastdach
im Laufschritt erklommen. Soweit sie es überblicken konnte, war
ihr Plan tatsächlich noch durchführbar. Es war ein gewaltiges Risiko, und sie würden eine Menge zurechtbiegen und ändern müssen. Was ihr am meisten Angst machte, war die Frist von zwei
Tagen. Vielleicht würde sie Rasnor so weit bekommen, noch einen
Tag hinzuzugeben, wenn sie sich lieb und brav benahmen. Aber
das war genau ihre Masche, Und falls sich ihre Freundinnen nicht
so dumm anstellten wie sie selbst, hatten sie eine gewisse Erfolgsaussicht. Sie eilte hinüber zur Tür der Shabagemacher.
Cathryn empfing sie in der kleinen Vorhalle mit einem Nicken.
Das war ein verabredetes Zeichen und bedeutete, dass Roya,
Azrani und Marina da waren und auf sie warteten. Leandra nahm
ihre kleine Schwester an der Hand und eilte durch das Empfangszimmer und ihr Schlafzimmer ins Badezimmer. Dort warteten die
drei.
»Los, ihr Weiber!«, keuchte sie, nachdem sie die Tür hinter sich
geschlossen hatte. »Wir haben eine Masse zu tun! Und wir werden es ganz alleine machen müssen. Außerdem haben wir nur
zwei Tage Zeit, Und er wird uns dauernd kontrollieren kommen!«
Die drei starrten sie mit großen Augen an. »Noch etwas?«, fragte Roya entgeistert.
*
Rasnor kam sie tatsächlich regelmäßig besuchen. Roya, Azrani
und Marina wussten zwar, dass er kommen würde, er hingegen
durfte nicht wissen, dass sie es wussten. So musste die arme
Cathryn immer zum Schein Wache stehen, wenn die drei da waren. Das aber änderte sich am zweiten Tag. In mehreren, überaus
waghalsigen Aktionen hatten die drei in Savalgor all das besorgt,
was sie für ihren Plan benötigten – dank der überragenden Ortskenntnis, die Marina und Azrani besaßen. Schon am Nachmittag
des zweiten Tages tauchte Leandra bei Rasnor auf und erklärte
ihm mit dankbarer Miene, dass der Plan geklappt hätte – es wäre
ihr gelungen, ihre drei Freundinnen zu überreden. Rasnor zeigte
sich zufrieden.
Klug fügte sie hinzu, dass Roya nur schwer umzustimmen gewesen sei – sie hatten im Geheimen verabredet, dass Roya die
Widerspenstige spielen sollte; so ein kleiner Kontrapunkt, meinte
Leandra, mache die Sache nur umso glaubwürdiger. Azrani und
Marina hingegen sollten sich auf eine leicht zurückhaltende Weise
zuckersüß geben. Denn es gab eine entscheidend wichtige Angelegenheit, zu der sie Rasnor erst noch überreden mussten. Am
Abend des zweiten Tages saßen sie dann gemeinsam in Rasnors
Gemächern und schlürften entspannt einen herbsüßen Likör, den
er hatte bringen lassen. Azrani und Marina hatten ihm bereits
eine Stunde lang in naiv-schwärmerischem Tonfall vorgetragen,
wie wunderbar sie es fänden, in dieser schrecklichen Situation
nun doch etwas für das Volk tun zu können. Ein Waisenhaus –
das wäre sicher eine wundervolle Sache. Rasnor hatte Leandra
mehrfach strapazierte Blicke zugeworfen, die Leandra in gleicher
Weise zurück warf – ihm wohlwollendes Verständnis signalisierend. Trotzdem schien er die beiden hinreißend zu finden. Roya
blieb verabredungsgemäß bei finsteren Blicken und abfälligen
Bemerkungen, doch sie hatte sich aus dem Kleiderfundus der
Shaba-Gemächer bedient und trug nun etwas, das ihren jungen,
schlanken Körper vortrefflich betonte, und Rasnor konnte trotz
der zwischen ihm und Roya herrschenden Zwietracht seine Blicke
nicht bei sich halten. Sie hatten wahrhaft alle Register weiblicher
Tücke gezogen und Rasnor fühlte sich erwartungsgemäß wie der
Hahn im Korb.
»Wie habt ihr es nur geschafft«, fragte er wohlwollend, »euch
so lange Zeit in den Katakomben zu verstecken? Die Drakken
müssen dort unten inzwischen jeden Winkel durchforstet haben!«
»Sie sind nicht sonderlich schlau«, winkte Marina ab. »Ihre kleinen Zelte sind zwar ganz nett, aber…«
»Ganz nett?«, lachte Rasnor auf. »Da habt ihr aber noch nicht
viel gesehen!
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