Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
»Dürfen wir jetzt endlich hinein?«
Plötzlich war das Gesicht des Wachmanns nicht mehr so freundlich wie zuvor. Marko schien seinen Ärger beschworen zu haben.
Er sah nach hinten zu Rox, dessen Zügel Izeban hielt. »Was habt
ihr dabei?«, fragte er.
Nun drängte sich Jerik an Marko vorbei. »Nichts Besonderes«,
sagte er mit ruhiger, freundlicher Stimme. »Mein Freund hier ist
wohl etwas ärgerlich, weil er sich Hoffnungen auf die Shaba gemacht hat!« Jerik schickte ein Lachen hinterher, in der Hoffnung,
durch diesen Witz, der eigentlich die Wahrheit war, die Laune des
Wachmanns wieder zu verbessern. Der aber zeigte sich unbeeindruckt. Er hakte die Daumen in seinen Gürtel und spazierte um
Marko herum. Jerik unterdrückte einen Fluch. Der Soldat blieb
neben dem Karren stehen und blickte auf die Plane. Seine betont
lässige Körperhaltung signalisierte schon, dass er sich auf seine
Macht als Torwächter besonnen hatte und sich nun für Markos
rüdes Verhalten zu revanchieren gedachte.
»Nichts Besonderes?«, fragte er herausfordernd. Er deutete auf
etwas, das hinten unter der Plane hervorschaute. Es war nur ein
kleiner Teil der länglichen Drakkenwaffe, doch man konnte auf
den ersten Blick erkennen, dass es durchaus etwas Besonderes
war.
Jerik eilte zu ihm. »Das ist nur…«
Er kam zu spät. Der Soldat hatte sich bereits niedergebeugt und
die Plane zurückgeschlagen. Die Waffe kam größtenteils zum Vorschein und dazu noch beide Beine des toten Drakken bis hin zu
den Kniegelenken. Der Soldat machte einen Satz zurück.
»Warte!«, rief Jerik und hob beide Arme. »Versteh das nicht
falsch! Ich…«
»Was ist das?«, kreischte der Soldat und deutete entsetzt auf
seinen Fund.
Jerik blieb stehen. Augenblicke später waren auch Marko und
Izeban herangeeilt. Mit einem Klirren fuhr das Schwert des
Wachmanns aus der Scheide und er hielt es ihnen direkt entgegen.
Jerik wandte sich ärgerlich zu Marko um.
»Vorlauter Bengel!«, fuhr er ihn an. »Da hast du’s! Hättest du
nicht deinen Schnabel halten können?«
»Ich frage nicht noch einmal!«, unterbrach sie der Soldat
scharf. »Was ist das? Ihr sagtet, ihr hättet nichts Besonderes dabei.«
»Beruhige dich, Soldat«, sagte Jerik mit aller Ruhe. »Wir müssen zur Shaba, um ihr dieses Wesen zu zeigen. Du hast selbst
von den Gerüchten über die Fremden gesprochen. Dies hier ist so
einer.
Wir haben…«
Der Soldat starrte sie entgeistert an, blickte dann auf die Drakkenbeine und trat einen Schritt zurück, das Schwert immer noch
erhoben. Er schrie so laut er konnte; »Torwache! Torwache… Zu
mir!«
6
Dunkle Pläne
Es war keine Wut mehr, die Ötzli empfand, sondern nur noch
Taubheit. Sein gesamtes Inneres fühlte sich an, als wäre es
durchgewalkt und geprügelt worden und läge jetzt leblos am Boden. Irgendetwas in ihm weigerte sich zu begreifen, dass tatsächlich keiner seiner Pläne funktioniert hatte. Er hatte das Land vor
dieser Pest einer Weiberherrschaft bewahren wollen, vor Alina
und vor allem vor Leandra und ihrem Pack. Erst hatte ihn dieser
Rasnor im Stich gelassen, dann war der seltsame Glatzkopf untergetaucht – und jetzt hatte Leandra auch noch den Pakt gefunden und nach Savalgor gebracht. Zuletzt war sogar das eigentlich
Unmögliche noch geschehen: Diese beiden dummen Kinder hatten in eine Heirat eingewilligt, obwohl sie sich nicht einmal kannten. Unfassbar! Inzwischen wusste er nicht einmal mehr, wie viel
Zeit noch von den zwei Wochen übrig war, die ihm die Drakken
zugebilligt hatten, um ihnen den Pakt zu bringen. Er hatte es
nach Kräften versucht, aber jämmerlich versagt. Inzwischen
glaubte er nicht mehr an diese verrückte >Glückssträhne<, die
Leandra immerzu hold sein sollte; nein, wahrscheinlich war es
Bestimmung und das Schicksal dieser Welt, von einem dummen,
jungen Mädchen ins Unheil gestürzt zu werden.
Das alles enttäuschte ihn über die Maßen. Er schämte sich ehrlichen Herzens für seine Herkunft, für seine Abstammung aus einem Volk von Dummköpfen und Ignoranten, die mit einem Hurra
auf den Lippen und dem Wort Freiheit auf den Fahnen in ihren
eigenen Untergang rannten. Hätte er die Möglichkeit gehabt, wäre er bereit gewesen, sich von diesem Volk von Blödianen abzusetzen und einen anderen Weg zu gehen. Aber dergleichen stand
ihm nicht offen.
Er sah nur noch einen Weg. Den der Rache. Er verspürte nicht
einmal mehr ein Gefühl der Leidenschaft bei diesem Gedanken. Er
war ein alter Mann und sein Leben
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