Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
Ankömmlinge eingesperrt
waren. Nur Augenblicke, nachdem der Wachmann um Hilfe geschrien hatte, waren sie von Soldaten umringt gewesen und man
hatte sie abgeführt. Nun saßen sie in einer Zelle eines Wachturms
der Stadtwache, der gleich hinter dem Nordtor an der Stadtmauer
emporragte.
»Munuel ist tot!«, flüsterte Marko dem Mann zu, den er als Jerik
kannte. »Das weiß jedes Kind!«
»Munuel ist tot!«, stellte der Hauptmann draußen vor den Gitterstäben fest, als wäre er das Echo von Marko. »Das ist allgemein bekannt. Er starb vor über einem Jahr bei einer Schlacht in
der Nähe von Tharul. Du kannst nicht Munuel sein! Ich kannte ihn
persönlich. Sogar sehr gut!«
»Soso«, meinte Jerik.
»Ganz recht«, erwiderte der Hauptmann herablassend. Er war
ein großer, dicker Kerl mit einem flachen Gesicht und roten Wangen, die sich hinter einem militärischen Prachtstück von Zwirbelbart verbargen. Seine Augen waren kohlschwarz.
»Hört auf mit dem Quatsch, Jerik!«, zischte Marko. »Ihr reitet
uns nur noch tiefer hinein!«
Der Magier ignorierte ihn. »Du kanntest Munuel also persönlich,
Hauptmann?«
»In der Tat. Und er war nicht blind!« Sein Gesicht spiegelte
Triumph. »Was ist mit deinen Augen, Scharlatan? Du siehst wohl
übers Trivocum, was?
Nein, mich täuschst du nicht!«
»Eine Frage, verehrter Hauptmann, wenn es gestattet ist.«
Der Mann blies sich auf, als könnte ihn nichts auf der Welt erschüttern. »Was?«, fragte er barsch.
»Woher kanntest du Munuel? Aus seinem Heimatdorf?
Oder vom Ordenshaus?«
»Richtig. Das Letztere. Vom Ordenshaus her.«
»Aha. Das Cambrische Ordenshaus hat ja auch viel mit der
Stadtwache zu tun, nicht wahr?«
Der Hauptmann zögerte. »Nun ja, nicht direkt…«
»Also indirekt? Welche Funktion hatte Munuel dort inne, wenn
du schon behauptest, ihn persönlich gekannt zu haben?«
»Welche… Funktion?«
»Ja! Welchen Posten, welches Amt – innerhalb des Cambrischen
Ordens?«
»Ich… äh…«
»Sieh an, das weißt du also gar nicht! Aber du kanntest ihn persönlich und sogar sehr gut!«
Das Gesicht des Hauptmanns zuckte. »Was soll das werden –
ein Verhör? Du Laus! Weißt du nicht, dass du hier der Gefangene
bist und ich der Wachoffizier?«
»Ich weiß nur, dass ich es hier mit einem Aufschneider zu tun
habe.’«, rief Jerik wütend.
»Munuel war nur sehr selten in Savalgor, und wenn, dann vertrat er den Primas! Doch der Primas hat nicht das Geringste mit
der Stadtwache zu schaffen – weder er noch sonst irgendwer vom
Cambrischen Orden! Und einen Hauptmann wie dich kannte er
mit Sicherheit nicht, denn ich tue es nicht und ich bin Munuel!
Und wenn du dir also viel Ärger ersparen willst, dann lässt du uns
auf der Stelle hier heraus, denn wir müssen dringend zur Shaba
und zum Primas des Cambrischen Ordens!« Der Hauptmann war
immer blasser geworden. Aber es gibt Leute, die werden trotzig
anstatt reumütig, wenn sie einer Lüge überführt werden, und der
Hauptmann war so einer. Er wandte sich an den Wachsoldaten.
»Verschärfte Bewachung für die drei!«, presste er wütend hervor.
»Und hol mir einen Magier her, meinetwegen einen von dieser
Duuma, wenn da noch einer zu finden ist! Bis morgen die Feierlichkeiten vorüber sind, will ich absolute Ruhe haben! Niemand
darf die Zeremonie stören, hast du verstanden?«
Damit wandte er sich um und stampfte wütenden Schrittes aus
der Wachstube. Der Soldat warf ihnen einen schadenfrohen Blick
zu.
»Munuel ist tot!«, erklärte Marko noch einmal flüsternd.
»Ist er nicht!«, zischte der Mann, der Jerik oder Munuel hieß,
zurück.
Schließlich mischte sich auch Meister Izeban in die Diskussion
mit ein. »Verzeiht meine Unwissenheit, meine Herren. Ich habe
noch nie von einem Munuel gehört. Wer soll das sein?«
»Munuel ist ein legendärer Held!«, erklärte Marko. »Ein Magier
mit überragenden Fähigkeiten, ehemaliger Begleiter und Geliebter
von Leandra, der Befreierin von Akrania. Er war stark und hoch
gewachsen, Anfang dreißig und außerdem ein Meister im
Schwertkampf, im Gesang und dem Spiel auf der Guitare. Und er
war nicht blind, wie der Hauptmann richtig bemerkte. Munuel
starb vor etwa vier Jahren bei einer Schlacht in der verfluchten
Ruinenstadt von Thoo, als er Leandra gegen eine Horde von viertausend Dämonen verteidigte. Und wenn er sich, was nicht möglich ist, hier im Raum befände, hätte er längst mit einem Fingerschnippen diese eisernen Gitterstäbe wie Butter in der Sonne zerschmelzen lassen und
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