Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
Mehrere Soldaten waren gerade damit beschäftigt, vor dem Stadttor Barrikaden wegzuräumen.
Erstaunlicherweise wirkten diese Männer geradezu begeistert;
sie konnten gar nicht schnell genug die schweren Balken und
Stellböcke wegschaffen, hatten dabei ihre Rüstungen von sich
geworfen und wuchteten mit schwungvollen Bewegungen und
aufgeregtem Gerede das Barrikadenmaterial zur Seite. Sie
schmissen es auf einen großen Haufen neben dem Tor – in geradezu verächtlicher Weise. Sogar der Wachmann am Durchlass
wirkte eher so, als hätte er lieber mit angepackt, als hier zu stehen.
Eher verunsichert und zögernd begaben sich die drei zum Stadttor, Rox mit seinem Karren im Gefolge. Der Wachmann empfing
sie mit aufgehellter Miene.
»Was ist denn los, Soldat?«, fragte Jerik und deutete auf die arbeitenden Männer. Der Wachmann schien geradezu begierig, sie
mit den neuesten Neuigkeiten einzudecken. »Ein Wunder!«, rief
er aus. »Ein Wunder ist geschehen! Verdammt – was habt ihr für
ein Glück, dass ihr gerade jetzt kommt! Gestern noch hätten wir
euch vielleicht davongejagt oder am Ende noch beschossen. Wir
werden eine neue Shaba bekommen! Endlich! Endlich ist dieser
verfluchte Krieg vorbei.« Die drei blickten sich überrascht an, und
selbst Jerik beteiligte sich daran, obwohl er nicht wirklich sehen
konnte. »Eine neue Shaba?«, fragte Marko und eine gewisse Bestürzung in seiner Stimme war nicht zu überhören.
»Ja, junger Herr!«, sagte der Wachmann und nickte eifrig. »Die
Thronanwärterin Alina! Der Vater ihres Sohnes wurde gefunden
und er hat in die Hochzeit eingewilligt! Obwohl er sie nicht einmal
kennt!«
Abermals blickten sich die drei an. Aberwitziger Ärger stieg in
Marko auf. »Wo gibt’s denn so was?«, schimpfte er. »Sie heiratet
irgendeinen dahergelaufenen Kerl! Bist du sicher, dass er wirklich
der Vater ist, Soldat?« Der Wachmann drohte ihm gutmütig grinsend mit dem Finger. »Beherrsch dich, junger Herr! Der Rat hat
es bestätigt, nach einer Prüfung auf magischem Wege! Und glaube nicht, dass dieser Rat das gern getan hätte. Ja, es ist wahr,
der richtige Vater ist gefunden!«
»Und die beiden heiraten so einfach? Unfassbar!« Der Mann hob
die Schultern. »Ja, das stimmt schon. Aber es ist ein einziges
Glück! Seit Wochen schon herrscht dieses Gezerre in der Stadt.
Einmal unterstehen wir der Duuma, dann wieder dem Rat, dann
niemandem mehr. Daraufhin spaltet sich die Palastgarde in zwei
Lager, aber zu wem gehören wir? Währenddessen brechen Unruhen in der Stadt aus, es gibt Kämpfe zwischen verfeindeten Ganovenbanden, ehemaligen Cambriern, aufgebrachten Bürgern und
diesen verfluchten schwarzen Brüdern. Zuletzt haben wir uns
nicht anders zu helfen gewusst, als die Stadt abzuriegeln und uns
selbst zu verteidigen! Und dann noch diese seltsamen Gerüchte
über diese Fremden! Habt ihr davon gehört?«
Ein drittes Mal sahen sich die drei Ankömmlinge viel sagend an.
Langsam gewöhnte sich Marko daran, dass Jerik durchaus etwas
>sehen< konnte und weiterhin seinen alten Gewohnheiten folgte.
Kurz spielte er mit dem Gedanken, dem euphorischen Wachmann
einen Dämpfer zu versetzen, indem er ihn einen Blick unter die
Plane auf Rox’ Karren werfen ließ. Aber mit so einem Fremden
würde der Mann gewiss nichts anzufangen wissen – es würde ihn
nur verunsichern und ihm Angst einjagen. Kaum jemand dürfte
eine Ahnung haben, was für Wesen es tatsächlich waren, die sie
da bedrohten. Sie mussten mit dem toten Drakken zuerst zur
Shaba. Diese Aussicht allerdings trübte Markos Laune nur umso
mehr. »Fremde?«, fragte er barsch. »Keine Ahnung, wovon du da
redest, Mann!« Die Freundlichkeit des Soldaten kühlte infolge
Markos rüder Worte langsam ein wenig ab. »Na ja, ich hoffe, da
ist nichts dran! Aber egal. Jetzt, da die Thronfolge endlich geregelt ist, und in der Stadt wieder Ruhe und Ordnung einkehren
werden, kriegen wir diese Kleinigkeit wohl auch noch in den Griff,
was?«
»Wollen wir’s hoffen!«, murmelte Marko missmutig. Der Wachmann legte den Kopf schief. »Was ist? Gefällt dir das etwa nicht?
Dass wir jetzt wieder Frieden bekommen?«
Marko schnaufte und studierte das Gesicht seines Gegenübers.
Verständlich, dass ihm sein unwirsches Verhalten seltsam vorkam, aber er konnte ja nichts davon ahnen, dass er gekommen
war, um der Shaba den Hof zu machen. Doch das hatte sich ja
jetzt wohl ohnehin erledigt. »Schon gut, alles klar«, sagte Marko
ungeduldig und winkte ab.
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