Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
Lächeln zustande und nahm seinen
Arm. Gemeinsam wandten sie sich um und traten vor Altmeister
Ötzli. »Wir wären dann soweit«, sagte Victor lächelnd.
Ötzli starrte sie an, als wollte er sie mit Blicken töten.
9
Hochzeit
Abermals schmetterten die Tenorhörner Fanfare durch den weiten Saal. Die Cymbas erzeugten einen gewaltigen, vibrierenden
Ton, dann kamen Alt-Trombonen hinzu, die einen dramatischen
Melodiebogen über die Klangfläche malten – den traditionellen
Hochzeitsopus. Die Musik dauerte nur kurz an, so wie es für alle
offiziellen Anlässe in Akrania typisch war: von gewaltiger Fülle,
aber sehr kurzer Dauer.
Das Brautpaar stand vor Primas Clausis, einander zugewandt.
Angstvoll forschte Alina in Victors Gesicht, ob vielleicht doch noch
etwas schief gehen könnte, aber er warf ihr ein aufmunterndes
Lächeln zu. Sie entspannte sich ein wenig. Victor wurde von Clausis als Erster befragt. Alina bekam die lange, salbungsvoll klingende Spruchformel gar nicht recht mit, die der Primas aufsagte,
sie starrte nur Victor die ganze Zeit angstvoll an. Zuletzt zwinkerte er ihr zu und sprach ohne Zögern das Ja.
Ein plötzlicher Weinkrampf drohte sie zu übermannen. Nur mit
Mühe bewahrte sie die Fassung, während Clausis den Spruch, an
sie gewandt, wiederholte. Sie hörte sich selbst >Ja< sagen, es
war wie in einem Traum, und dann lag sie in Victors Armen und
konnte gar nicht glauben, was soeben geschehen war.
Sein Kuss auf ihrer Wange war nur flüchtig, aber das rettende
Gefühl, das sie überschwemmte, raubte ihr fast die Sinne. Sie
hatte nicht den Hauch einer Ahnung, warum sie sich so nach ihm
sehnte, er war ja eigentlich nicht viel mehr als ein Fremder für
sie, der zudem noch eine andere liebte. Aber das Gefühl war einfach überwältigend.
Primas Clausis hob die Arme, um die Menge zu beruhigen.
»Nach den Gesetzen des Landes Akrania«, rief er, »richte ich
hiermit die Frage an das anwesende Volk, ob irgendjemand einen
Einwand gegen diese Hochzeit vorzubringen hat.« Aus der Menge
schallten vereinzelte, protestierende Rufe, aber Clausis beachtete
diese Leute nicht weiter. Sein Gesicht spiegelte Zufriedenheit und
er nickte Alina und Victor lächelnd zu. »Gut«, rief er und hob
abermals die Arme. »Ich stelle fest: Außer ein paar Schreihälsen,
die ohnehin gar nicht hier sein dürften, gibt es keine Einwände!
Dann erkläre ich diese Hochzeit jetzt als…«
»Halt!«
Der Ruf schallte wie ein Donnerschlag durch den Wappensaal.
Augenblicklich kehrte Stille ein. Alina hatte die Stimme sofort erkannt – Ötzli! Sie stöhnte leise. Was wollte dieser Kerl denn nun
schon wieder? Victor hielt sie immer noch umarmt – es fühlte sich
großartig an und flößte ihr so viel Zuversicht ein, dass sie sich
weigerte zu glauben, dieser verdammte Störenfried von Ötzli
könnte jetzt noch etwas gegen sie ausrichten. Doch Ötzli schien
fest entschlossen, Unheil zu stiften. »Ganz Akrania steht kurz
davor, aufs Schlimmste betrogen zu werden!«, rief er mit wutentbrannter Stimme und deutete auf Alina. Unwillig löste sie sich
von Victor, wandte sich Ötzli zu und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Mit zornigem Gesichtsausdruck schickte sie sich
an, der dummen Rede dieses eitlen Eiferers zu lauschen. Sie hatte nicht die geringsten Befürchtungen, dass er irgendetwas von
Belang vorzubringen haben könnte.
»Weiß hier jemand, was das ist?«, rief Ötzli und deutete nach
rechts.
Einen Augenblick später flogen die beiden Türflügel des Ostportals auf und ein halbes Dutzend Männer eilte herein. Sie trugen
eine große, viereckige Holztafel und lehnten sie respektlos an den
Hochzeitsschrein. Ein großes, weißes Tuch hing über der Tafel.
Alina betrachtete die Tafel. Die Erhebungen unter dem Tuch deuteten darauf hin, dass etwas an der Tafel befestigt war. Ötzli ging
mit einigen energischen Schritten zu ihr hin und riss heftig das
Tuch fort. Alina erstarrte.
Mit ihr erstarrte auch jeder andere im Wappensaal. Ein entsetztes Aufstöhnen wogte durch die Menge. An der Holztafel hing, mit
einer Anzahl von Schnüren befestigt, eine reglose schwarzgraue
Kreatur. Alina gefror das Blut in den Adern. Sie hatte Wesen dieser Art schon einmal gesehen. Was dort hing, war ein toter Drakken.
*
»Verfluchter Mistkerl!«, murmelte Marko wutentbrannt, als er
sah, was unter dem Tuch zum Vorschein kam. Beinahe wäre er
von der Kiste, auf der er saß, aufgesprungen und hätte in den
Saal hinabgeschrien,
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