Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
des Rates Victors und Maries Aura überprüft hatte, einen seltsamen Einfluss gespürt.
Täuschung auf magischem Wege wäre mit im Spiel gewesen!
Einige Mitglieder des Rates, die hier bei der Hochzeit anwesend
waren, traten sogar ganz plötzlich vor und bestätigten dieses
seltsame Gefühl mit entrüsteten Worten. Alina kannte die Gesichter natürlich: Es waren Cicon, Vandris, Zelko und andere, die
zweifellos zur Bruderschaft zählten.
Das ganze Gebrüll und Gezeter, die Anschuldigungen Ötzlis und
die wütenden Widerworte Victors sowie des Hochmeisters verunsicherten die gut zweitausend Menschen in beängstigendem Maße. Alina vermochte sich nicht vorzustellen, was geschehen würde, wenn irgendein Schreier plötzlich eine Panik auslöste. Sie sah
sich unruhig nach einem Fluchtweg um.
Plötzlich jedoch legte sich der Lärm.
Eine einzelne Person war vorgetreten, ein alter Mann, in Lumpen gehüllt und mit um den Kopf gebundenen Tüchern. Nicht sein
Erscheinen war es, das die Leute verstummen ließ, sondern das
unvermittelte Schweigen Ötzlis. Mit bleichem Gesicht wich er vor
dem Mann zurück. »Der Glatzkopf.«, hörte man ihn keuchen.
»Schön, dass Ihr mich noch erkennt, Hoher Meister!«, sagte der
Ankömmling mit meckernder Stimme. »Ihr scheint mein Auftreten zu fürchten!
Warum?«
Ötzli brachte es immerhin fertig, stehen zu bleiben, aber er
antwortete nicht. Hilfe suchend blickte er nach links und rechts.
»Passt es vielleicht nicht in Euren Plan, dass ich nicht die versprochenen einhundert Mann samt Magiern und Bogenschützen
aufbrachte, um Leandra bei ihrer Rückkehr nach Savalgor abzufangen und zu töten – so wie Ihr es von mir verlangtet?«
Ötzli stammelte etwas Unzusammenhängendes. »Oder seid Ihr
wütend, dass es Euch trotz höchster Anstrengungen nicht gelang,
den Pakt zu erbeuten, um damit selbst mit den Drakken ins Geschäft zu kommen, was Euch höchste Privilegien eingebracht hätte – womöglich sogar den Thron des Shabibs? Den Thron eines
zerrissenen und unterjochten Landes, in der Gewalt fremder Wesen, denen Ihr Tür und Tor geöffnet hättet? Und das mithilfe der
Bruderschaft, deren Existenz Ihr neuerdings so leidenschaftlich
bestreitet?«
»Ich kenne diesen Mann nicht!«, schrie Ötzli. »Das ist schon
wieder so ein verleumderischer Trick dieser Leandra und ihres
Gefolges!« Er streckte die Fäuste von sich und rief: »Wo bist du,
dämonisches Weib? Komm hervor und ich werde dich töten!«
Nun wurden die Massen wirklich unruhig. Jeder wusste, was ein
magischer Kampf an einem Ort wie diesem bedeutet hätte. Der
>Glatzkopf < hob eine Hand, woraufhin ein kleiner, rundlicher
Mann mit wirrem grauem Haar und einem riesigen Blumenstrauß
in den Händen sich rechts aus der Menge löste und ein paar
Schritte in Richtung der Streitenden tat. »Ich warne dich, Altmeister Ötzli!«, rief der Glatzkopfe »Dies ist der Shabibspalast
von Savalgor! Hier darf keine Magie angewandt werden! Das ist
Gesetz!«
»Gesetz ist noch etwas ganz anderes!«, rief Ötzli zurück. »Du,
Fremder, bist gerade dabei, es zu brechen, und das werde ich
verhindern!«
»Fremder?«, rief der Glatzkopf. »Ich bin dir kein Fremder!«
Im nächsten Moment begann sich der alte Kerl aus seinen schäbigen Lumpen zu schälen. Unter den Bettlerkleidern kam plötzlich
eine feine, gestickte Robe zum Vorschein. Altmeister Ötzli erstarrte. Als der Alte die fleckigen Tücher wegriss, die seinen Kopf umhüllten, kam das Gesicht eines Mannes zum Vorschein, den Alina
schon einmal gesehen hatte. Sie erinnerte sich.
Das erste Mal hatte sie ihn in der Festung von Tulanbaar gesehen. Sie befand sich in der Gewalt von Chast, der sie gezwungen
hatte, sein Bett mit ihm zu teilen. Da war eines Nachts dieser Alte
erschienen, wie ein Engel; sie hatte gehofft, er würde sie mit sich
nehmen, fort von diesem Scheusal Chast. Kurze Zeit darauf hatte
es der Alte sogar tatsächlich versucht: ein mörderischer, magischer Kampf war entbrannt, und später, in Unifar, folgte ein weiterer. Sie hatte nie mit ihm geredet, aber sie wusste seinen Namen: Es war Munuel! Der tot geglaubte Lehrer und Meister von
Leandra.
Er hatte die Hand wieder erhoben. »Du kennst die alte Geschichte über den Magier und den Bogenschützen, Altmeister Ötzli!«, rief er. »Der Magier stirbt immer, auch wenn er den Schützen zuerst trifft! In diesem Augenblick ist eine Armbrust auf dich
gerichtet – übrigens die Armbrust, die in Wahrheit diesen Drakken dort getötet
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