Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
einer noch fragwürdigeren Gruppe eingelassen. Warum? Hätte das alles nicht auch
ohne Streit und Krieg bleiben können? Nein, irgendetwas anderes
musste noch dahinter stecken – hinter dieser brutalen Vorgehensweise der Fremden. Wiewohl sich Leandra einen friedlichen
Verlauf wünschte, fürchtete sie sich davor, dass sie die Wahrheit
verkannte und sich allein aus ihrem Wunsch nach Frieden heraus
jetzt falsch verhielt. Sie bat Meanak, eine Weite Schleife über
dem Hügel zu fliegen, um noch ein wenig Zeit zum Nachdenken
zu bekommen. Doch diese Zeit bekam sie nicht. Meister Fujima
missdeutete das Flugmanöver ihres Drachen und landete mit Lanianis auf der Hügelkuppe. Leandra blieb nichts anderes übrig, als
ihm zu folgen. Mit unruhigen Blicken starrte sie in den Himmel
hinauf und suchte das Drakkenschiff. Es war näher gekommen.
*
Primas Clausis stand wiederum mit erhobenen Händen da und
versuchte die Menschen zur Ruhe zu bewegen. »Wollen wir die
Trauung doch nun endlich zu Ende bringen!«, rief er.
Der kleine Drache hatte sie wieder verlassen – auf geheimnisvolle Weise war er in einem mystischen Aufblitzen weit oben unter der hohen Saaldecke verschwunden.
Das aufgeregte Gemurmel verebbte. Alina schöpfte Mut, dass
ihre Hochzeit nun doch noch zu einem guten Ende kam.
Doch die Neuigkeiten, die Munuel berichtet hatte, waren erschreckend. Die meisten Leute hatten vermutlich nicht mitbekommen, was er über die von Westen anrückenden Drakkenschiffe gesagt hatte. Sie hingegen hatte es gehört und es versetzte sie
in aufkommende Panik. In wenigen Augenblicken würde sie die
Shaba von Akrania sein, doch die Geschwindigkeit, mit der sie in
die erste Notlage ihres Landes gestürzt würde, war atemberaubend. Ihre erste Krise wies beste Voraussetzungen auf, zugleich
auch ihre letzte zu sein. »Das Jawort betrachte ich als bereits
gegeben?«, stellte Clausis mit strengen Blicken zu Alina und Victor fest. Die beiden sahen sich an und nickten. »Fein. Ich frage
nun also noch ein letztes Mal, ob irgendjemand einen… berechtigten… Einwand gegen diese Trauung hat!« Er hatte die Worte mit
solcher Schärfe gesprochen, dass schon ein Chast hätte auferstehen müssen, um jetzt noch einen Widerspruch zu wagen. Niemand sagte etwas darauf. Der Primas strahlte. »Sehr schön.
Dann also erkläre ich diese Hochzeit für rechtens und die Trauung
des Brautpaares für vollz…« Im aufbrausenden Jubel und den
schmetternden Fanfaren, die über den Saal hereinbrachen, sah
Victor nur ein kurzes Aufblitzen von rechts. Sekunden später fühlte er einen entsetzlichen Schmerz, der gleich einem Blitz durch
seine rechte Körperhälfte fuhr. Er stieß einen Schrei aus und
krümmte sich zusammen.
Für Augenblicke drohte ihn das Bewusstsein zu verlassen – der
Schmerz war brennend und stechend zugleich. Dann gelang es
ihm endlich, die Stelle auszumachen, von der er ausging. Mit vor
Schmerzen geschlossenen Augen tastete er zu seinem rechten
Oberschenkel und schrie ein weiteres Mal auf. Dann hörte er nur
noch das Aufbrausen von Geschrei und Gebrüll und ihn verließen
gnädig die Sinne.
Als er wieder zu sich kam, konnte erst eine Minute vergangen
sein. Er spürte, dass etwas in ihm steckte… nein, zwei Dinge
steckten in ihm! Das erste war einigermaßen angenehmer Natur.
Es war ein Gefühl der Lähmung und Leichtigkeit, und nach kurzer
Zeit wurde ihm klar, dass es eine Magie sein musste, von Munuel
oder Jockum gewirkt, die sein Herz beruhigt und sein Schmerzempfinden gedämpft hatte. Das zweite Ding sah er, als er die
Augen öffnete. Es war ein Pfeil, der tief in seinem rechten Oberschenkel steckte. Er keuchte – allein der Anblick drohte ihm
schon wieder das Bewusstsein zu rauben.
»Bei den Kräften!«, keuchte er, »wer schießt da auf mich?«
Mehrere Leute standen über ihn gebeugt, er sah Hochmeister
Jockum, Jacko, Hellaini… und dann erkannte er Alina. Sie kniete
hinter ihm und hielt seinen Kopf in ihrem Schoß. Verzweifelte
Tränen liefen über ihre Wangen. Ein schmerzverzerrtes Lächeln
überzog sein Gesicht. Sie war einfach bezaubernd, selbst wenn er
im Moment nicht wusste, woher ihn plötzlich dieses leidenschaftliche Gefühl überkam. War das eine Nebenwirkung der Magie? Er
fühlte sich wie betrunken. Zumindest jetzt hatte er das schöne
und beruhigende Gefühl, wenigstens nicht die Falsche geheiratet
zu haben. Plötzlich gellte eine Stimme durch den Saal. »Marko!«
Es war Munuels Stimme und dann hörte er;
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