Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
»Izeban! Schnell,
lauft hinauf und passt auf, dass dieser Verrückte nicht verschwindet! Ich will ihn hier sehen – und zwar gleich!«
Jemand lief davon, dann erschien Munuels besorgtes Gesicht. Er
war tatsächlich erblindet, seine Augäpfel waren starr und reglos.
»Munuel!«, sagte Victor mit Schmerzenstränen in den Augenwinkeln und streckte seine Hand nach der des alten Magiers aus.
»Gut, dich zu sehen, alter Freund! Aber… wer ist dieser Marko?«
Munuel knurrte. »Einer, dem du gleich deine Faust ins Gesicht
hauen darfst, und zwar mit aller Kraft, während ich ihn festhalte!«
»Der Schütze?«, stöhnte Victor. »Du… du kennst ihn?«
»Ja. Es war wohl der schwärzeste Tag meines Lebens, als ich
diesen dummen, eitlen Gockel traf!«
Victor bekam nur am Rande mit, wie der Saal geräumt wurde.
Zum Glück war keine Panik ausgebrochen und die Palastgarde
konnte zügig die Menschen nach draußen schleusen.
»Gib nun Acht, Victor!«, sagte Hochmeister Jockum.
»Ich werde noch einmal eine kleine Magie durch dich fließen
lassen. Erschrick nicht. Anschließend werde ich den Pfeil entfernen!«
»Einen Augenblick noch!«, warf Munuel ein. »Warte, bis dieser
vermaledeite Marko hier ist. Wir müssen ihn fragen, was für eine
Sorte Pfeil das ist, verstehst du? Welche Form die Spitze hat.«
Hochmeister Jockum nickte.
»Natürlich erst, nachdem ich ihm die Ohren abgerissen habe,
diesem Wahnsinnigen!«
Victor spürte den Pfeil als hitzigen, dumpf pulsierenden Punkt in
seinem Oberschenkel. Zum Glück war der Schmerz durch die Magie nicht wirklich präsent. Dafür aber kam ihm die ganze Sache
zunehmend kurios vor, lustig sogar, aber auch das musste eine
Auswirkung von Hochmeister Jockums Magie sein. In Alinas
Schoß fand er es plötzlich sehr behaglich. Er blickte nach oben in
ihr sorgenvolles Gesicht und hob eine Hand, um ihr eine Träne
von der Wange zu wischen. Sie schniefte und warf ihm ein Lächeln zu. Konnte es sein, dass sie ihn wirklich liebte? Unvorstellbar. Es dauerte noch eine Weile, während die Gardesoldaten die
letzten Leute aus dem Saal drängten. Dann erhoben sich einige
seiner Freunde, denn der Missetäter schien einzutreffen. Victor
kämpfte sich in die Höhe, um nur nichts zu verpassen, und Jacko
stützte ihn. Er sah einen jungen Kerl, knapp über zwanzig, der
mit einem Langbogen in der Hand über den polierten Kachelboden des Wappensaals dahergeschlendert kam. Nein, es war kein
Schlendern, sondern ein zögerlicher Gang; er schien zu ahnen,
dass man hier ärgerlich auf ihn war. Sehr ärgerlich. Er trug feine
Waldmannskleidung, einen Hut mit einer Babbufeder und wirkte
irgendwie, als wäre er gerade einer feinen Jagdgesellschaft entsprungen. Munuel erwartete ihn mit in die Seiten gestemmten
Fäusten. »Sag mal, bist du noch bei Trost?«, herrschte er den
Burschen an.
Der warf Victor einen unsicheren Blick zu und hob dann entschuldigend die Schultern. »Tut mir Leid… es war ein Versehen.«
»Ein Versehen?«, rief Munuel. »Ha! Dass ich nicht lache! Nachdem Ötzli fort war, gab es keine Gefahr mehr in diesem Saal. Und
auch keinen Grund, deinen Bogen noch auf irgendwen gerichtet
zu halten, oder?«
Wieder zuckte er mit den Achseln, lächelte dabei entschuldigend. »Nun ja – ich war mir plötzlich nicht mehr so sicher, wer
hier zu wem gehörte, und dachte, ich passe aus Sicherheitsgründen lieber auf… und dann ist mir die Sehne abgerutscht…«
»Lügner!«, rief Munuel. »Willst du mir etwa einreden, du hättest
während der Trauung aus Sicherheitsgründen auf den Bräutigam
gezielt?« Der Gescholtene erwiderte nichts, sondern zeigte nur
ein verlegenes Lächeln. Munuel wandte sich um.
»Dann will ich euch mal erzählen, was dahinter steckt!«, rief
Munuel. »Dieser verrückte Kerl hat…«
»Wartet, Munuel…«, rief Marko und hob beschwichtigend die
Hände, »Ihr könnt doch nicht…«
Munuel fuhr herum. »Schweig!«
Marko verstummte. Er ließ die Hände wieder sinken, sein Gesicht spiegelte wider, wie peinlich ihm das alles war. Als Munuel
fortfuhr, verdrehte er die Augen.
»Dieser dumme Junge hat ein Schnapsgläschen blaues Blut in
den Adern und bildet sich offenbar ein, er habe ein natürliches
Anrecht auf eine Ehe mit Alina! Er kam allen Ernstes nach Savalgor, um sie zu heiraten!« Munuel drehte sich mit verschränkten
Armen zu Marko um, der junge Mann hob entschuldigend die
Schultern.
»Nur passte ihm nicht in den Kram«, fuhr Munuel fort, »dass da
plötzlich ein Rivale
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