Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
ihnen zugewandt, öffnete sich eine weitere Klappe. Sie erinnerte an ein großes Maul und für Augenblicke nahm das fremde Schiff das Aussehen eines monströsen Gesichts mit aufgerissenem Rachen an.
Dann erschien ein Drakken in der Öffnung und trat ins Freie auf
den Hügel heraus.
Leandra schaffte es, einigermaßen ruhig zu bleiben. Meister Fujima hingegen, der noch nie so ein Geschöpf erblickt hatte, trat
entsetzt einen Schritt zurück. »Bei den Kräften…«, flüsterte er.
Der Drakken war ein gutes Stück entfernt von ihnen, aber er
kam Leandra in diesem Augenblick sehr bedrohlich vor. Man
konnte seine hoch gewachsene, schlanke Gestalt und die scharfen
Grate, mit denen sein Körper überall besetzt war, gut genug erkennen. Irgendwie erinnerte er sie an die Ghouls aus Torgard, die
ihrem Freund Vendar zum tödlichen Verhängnis geworden waren.
Der Gedanke, dass dieses Wesen gekommen war, um mit ihnen
zu verhandeln, erschien ihr plötzlich völlig absurd.
Der Drakken kam nicht näher, dafür erschien ein zweiter in der
Öffnung und trat ins Freie. Leandra kniff die Augenlider zusammen. Dieser war deutlich kleiner, sah dem ersten nur wenig ähnlich… »Ein Mensch!«, hauchte Meister Fujima. »Einer von uns!«
Leandra versuchte, ihr wummerndes Herz zu beruhigen. Ja, er
hatte Recht. Das dort war kein Drakken. Es war ein Mensch. Er
schien kurz mit dem Drakken zu reden, dann wandte er sich um
und kam mit entschlossenen Schritten auf sie zu. »Vielleicht… ist
das schon einer!«, sagte Meister Fujima aufgeregt. »Ich meine,
vielleicht haben die Verhandlungen schon begonnen, und das ist
jemand von uns, der…«
Leandra hob die Hand, Meister Fujima verstummte. Irgendetwas
kam ihr an dieser Person bekannt vor und mit jedem weiteren
Schritt wuchs ihre Gewissheit… und damit ihre Bestürzung. »Rasnor!«, keuchte sie. »Es ist Rasnor!«
»Rasnor? Wer soll das sein?«
Sie stöhnte. »Ein widerlicher Kerl! Ein Bruderschaftler, der von
Chast nach Hammagor geschickt wurde, um Victor und Roya den
Pakt abzujagen. Aber wir haben ihm seine Suppe gehörig versalzen!« Sie knirschte leise mit den Zähnen. »Leider nicht genug,
wie es scheint.« Meister Fujima deutete verwirrt auf den kleinen,
untersetzten Mann, der ihnen mit forschen Schritten entgegenkam. Die Hälfte der Entfernung hatte er bereits geschafft. »Aber…
wie kommt er zu den Drakken?«
Leandra wusste es. »Er muss sich mit ihnen verbündet haben«,
sagte sie mit plötzlich aufbrausender Wut. »Dieses Dreckstück
muss sich tatsächlich mit ihnen verbündet haben!«
Ein Dutzend Schritte vor ihnen blieb Rasnor stehen. Er trug die
typische Kutte der Bruderschaft und dazu seinen roten Leibriemen, so als bestünden die Duuma und der Orden von Yoor noch
immer und er wäre ein offizieller Abgesandter. Er hob die rechte
Hand und rief:
»Hallo, schöne Leandra! Wen hast du da mitgebracht? Jemand
vom Cambrischen Orden?«
An der Art, wie er sie angeredet hatte, erkannte Leandra schon,
was nun folgen würde. Sie hatte ihn in Hammagor gedemütigt
und davongejagt und nun würde er sich zweifellos rächen wollen.
»Wir hätten dich in Hammagor zur Hölle jagen sollen, du Verräter«, rief sie ihm entgegen. »Du machst gemeinsame Sache mit
den Drakken!«
»Nicht nur ich.«, rief er fröhlich zurück. »Auch du wirst dich mit
ihnen verbünden; schöne Leandra Wie findest du das?«
»Ich?« Sie lachte höhnisch auf. »Niemals!«
»Na, dann pass mal auf!« Er wandte sich um und winkte zurück
zum Drakkenschiff. Augenblicke später erschienen dort zwei weitere Drakken, sie trugen etwas. Langsam kamen sie näher, und
sie hatten es offenbar nicht leicht, denn das, was sie trugen, bewegte sich. Ziemlich heftig sogar.
Leandra sank auf die Knie. »O nein!«, keuchte sie.
Als die Drakken ihre Fracht die Hälfte der Strecke getragen hatten, hob Rasnor abermals die Hand und sie blieben stehen. Auf
ein weiteres Handzeichen hin setzten sie ihre Fracht ab, und dann
sah Leandra, dass ihr erster Eindruck sie nicht getäuscht hatte.
»Cathryn«, flüsterte sie.
»Lauf, kleiner Sonnenschein!«, rief Rasnor. »Lauf zu deiner großen Schwester!«
Meister Fujima, der die Szene schweigend beobachtet hatte,
warf fragende Blicke zu Leandra, während das kleine Mädchen
dort drüben bei den Drakken plötzlich losrannte, so schnell es nur
konnte.
Leandra befürchtete das Schlimmste, etwa, dass Rasnor oder
die Drakken auf Cathryn schießen würden. Aber nichts geschah.
Sekunden später
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