Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
Türen harten sich als
richtig erwiesen, und es gelang ihnen, den Zahlenschlüssel zu
verstehen. Dieser war auf fast schon peinliche Weise einfach und
teilte seine Zahlenfolge nur in Stockwerke, Flügel und Zimmer
ein. »Sobald du mal in Amt und Würden bist, mein Schatz, solltest du ihn ändern lassen!«, empfahl er. »Den können ja sogar
die Mäuse und Spinnen hier entschlüsseln.«
»Danke – mein Schatz«, erwiderte sie seufzend. »Für deine Zuversicht, dass ich mein Amt jemals ausüben werde.«
Sie verschafften sich Zutritt zu einem abgelegenen Raum des
Flügels, den Leandra die letzten Tage bewohnt hatte. Alina schlich
herum und nahm mit, was sie am nötigsten brauchten: frische
Tücher für Marie, etwas Nahrung in Form von Obst und Wasser
sowie Decken und Kerzen. Später dann fanden sie in den Geheimgängen eine Art Wachraum – ein kleines, höhlenartiges Verlies irgendwo in der Tiefe der Gänge, mit einem uralten Tisch und
ein paar morschen Stühlen. Dort richteten sie sich ein, so gut sie
konnten. Auf dem Tisch war es möglich, Marie zu wickeln; später
stillte ihn Alina. Besorgt erklärte sie Victor, dass sie allein es nicht
schaffen würde, Marie satt zu machen, und dass sie Milch brauchten.
Sie einigten sich darauf, dass Alina, mit einer Kerze bewaffnet,
sich gleich auf den Weg machen und ihre Suche nach Milch und
Nahrung mit einem Erkundungsgang verbinden sollte. Ihre nächste Mission würde bald darauf folgen: Sie musste versuchen, nach
Torgard zu Quendras zu gelangen. Quendras war nun ihre einzige
Hoffnung, noch irgendetwas gegen die Drakken ausrichten zu
können. Selbst Leandra, die mit Meister Fujima nach Angadoor
aufgebrochen war, würde kaum etwas unternehmen können, außer dafür zu sorgen, dass sie in Freiheit blieb. Sie benötigten eine
echte Waffe gegen die Drakken. Selbst wenn es Quendras noch
nicht gelungen war, das magische Siegel des Kryptus zu entschlüsseln, waren vielleicht Yo und ein paar Männer bei ihm. Sie
könnten gemeinsam aus Savalgor fliehen und später vielleicht
Leandra und Meister Fujima finden.
Alina nahm ein halbes Dutzend Kerzen sowie eine Büchse mit
Glimmpulver und Zündstein mit und war schon wieder drauf und
dran, Victor zum Abschied zu umarmen. Im letzten Moment besann sie sich und hielt sich zurück. Nach einem kurzen Winken
machte sie sich auf den Weg.
Sie hatte sich, auf Victors Rat hin, ein kleines, metallenes
Schmuckdöschen mitgenommen, das sie benutzen konnte, um an
den Gangabzweigungen Zeichen in die Mauersteine zu ritzen. So
bewegte sie sich mutig vorwärts und empfand es sogar bald
schon als leicht, sich zurechtzufinden. Die Gänge schienen der
Geometrie der Palastgänge zu folgen, und sie beglückwünschte
sich, dass das System der Zahlen so einfach zu durchschauen
war. Sie fand Treppen, die weiter nach unten führten, und markierte den Weg auf die Art, die Victor ihr empfohlen hatte. Mehrfach kam sie an Geheimzugängen vorbei, hinter denen sie Stimmen hörte. Manchmal klangen sie höchst fremdartig; Schauer
fuhren ihr den Rücken herab. Sie versuchte sich vorzustellen,
dass Drakken so redeten. Ja, es waren vermutlich Drakken, und
es erschien geradezu logisch, dass sie nun den Palast zu ihrem
Hauptquartier machten. Sie schlich weiter und die Zeit verging
wie im Flug. Immer tiefer stieg sie hinab und überprüfte von Zeit
zu Zeit, ob sie noch dort war, wo sie sich vermutete, indem sie
versuchte, Zugänge zu öffnen.
Im ersten Palast-Stockwerk verließ sie die geheimen Gänge, um
über einen abgelegenen Korridor zu einer kleinen Seitentreppe zu
gelangen. Seit fast drei Wochen lebte sie nun schon im Palast und
das half ihr jetzt. Sie besaß eine recht gute Vorstellung von der
Lage der Palastküche – sie musste ein Stockwerk unter ihr am
Anfang des Ostflügels liegen.
Bevor sie jedoch die Seitentreppe erreichte, entdeckte sie am
Kopfende des Korridors ein einzelnes schmales Fenster. Schwaches Licht fiel herein. Neugierig schlich sie sich hin und stellte
sich auf die Zehenspitzen. Direkt vor ihr lag der große, nächtliche
Marktplatz vor den Toren des Palasts – von zahlreichen Lichtquellen beleuchtet. Auf dem Platz waren vier riesige, zeltartige Gebäude unter einem verwirrenden System metallener Stangen und
Träger errichtet worden. Die hellen Lichter beleuchteten jeden
Winkel des Platzes und sie sah hunderte von Menschen, zusammengedrängt in Gruppen, die unter schwerer Bewachung auf dem
Pflaster des Platzes saßen und auf
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