Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes
erkennen. Dort unten musste sich eine riesige Halle befinden – sie lag noch einmal vier oder fünf Stockwerke tiefer. Insgesamt mochte der Trichter, vom Innenhof des Mittelbaus bis hinab zu der Halle, eine Hefe von dreihundert, vielleicht sogar dreihundertfünfzig Ellen aufweisen.
Fasziniert und furchtsam zugleich blickte Victor hinab. Soweit es zu erkennen war, lagen dort unten in der Halle Berge von Gesteinstrümmern, die wieder hinabgestürzt sein mussten, nachdem dieses Etwas vor Urzeiten aus der Tiefe heraufgebrochen war.
Was mochte das nur gewesen sein? Eine magische Entladung titanischen Ausmaßes? Ein riesenhafter Dämon? Dass die Drakken dort unten waren, erschien ihm im Augenblick sogar als gutes Zeichen, denn es bedeutete, dass dieses Etwas nun nicht mehr dort unten war.
Dann endete die Treppe, und sie mussten nach einer neuen Möglichkeit suchen, weiter hinab zu gelangen. Enias entdeckte schräg gegenüber, auf der anderen Seite des Trichters, eine weitere Treppe. Hoffnungsvoll liefen sie darauf zu, fanden aber keinen Zugang zu ihr. Dafür entdeckte Victor etwas Neues: Von seinem jetzigen Standort aus meinte er, tief unten in der Halle einen schwachen Lichtschein erkennen zu können. Die Quelle selbst lag anscheinend noch ein ganzes Stück außerhalb seines Blickwinkels; offenbar erstreckte sich die Halle noch ein ganzes Stück in mehrere Richtungen. Rhemor deutete schräg nach unten auf die andere Seite des Trichters, wo sich Yo mit ihrer Gruppe voranpirschte. Sie winkten sich zu. Nach einer kleinen Weile fanden sie doch noch einen verborgenen Zugang zu der Treppe und schlichen vorsichtig Stufe für Stufe tiefer. Als sie im Stockwerk unmittelbar über der tiefen, unterirdischen Halle angekommen waren, trafen sie auch Jacko mit seinen beiden Begleitern. Victor seufzte erleichtert. Leise zogen sie sich an einen versteckten Ort zurück und warteten, bis Yo zu ihnen stieß.
»Wir haben einen Weg ganz hinunter gefunden«, erklärte sie.
»Ihr werdet nicht glauben, was dort unten ist.«
»Du warst schon ganz unten?«
Sie grinste. »Hast du etwa daran gezweifelt, dass ich als Erste dort sein würde?«
Victor quittierte ihre Anspielung mit einem tadelnden Brummen.
»Und? Was tun sie da?«
»Ein Flugschiff«, sagte Yo. »Sie basteln an einem Flugschiff herum.«
Ein leises Kribbeln erfasste Victors Nacken. »Wirklich? Etwas in der Art dachte ich mir schon. Sie versuchen, zerstörte Schiffe wieder instand zu setzen oder Ersatzteile zu sammeln. Dabei haben wir sie schon öfter erwischt.«
»Das hab ich anfangs auch gedacht«, nickte Yo. »Aber ihr müsst euch das Ding mal ansehen. Es sieht ganz anders aus.« Sie deutete hinab in die Halle, wo der ferne Lichtschein nun gut zu erkennen war. »Eine Menge Lampen haben sie um das Ding herum aufgebaut und hantieren daran herum. Es ist ein pechschwarzes Schiff, ganz flach und spitz – und es sieht richtig gefährlich aus.«
»Wie viele Drakken sind es?«, fragte Jacko, den das Schiff nicht sonderlich interessierte. »Nicht allzu viele. Sechs oder sieben.
Aber es sind Bruderschaftler dabei. Drei, wenn ich keinen übersehen habe.«
Victor zog die Brauen hoch. »Bruderschaftler?« Yo nickte grimmig. »Ja. Wie es scheint, werden wir diese verdammte Brut so schnell nicht los.« Victor stieß ein Knurren aus. »Warum«, murmelte er, »landet man mit einem Schiff dort unten?«
»Vielleicht, weil man dort ungestört ist?«
Victor nickte langsam. »Ja, wäre möglich. Aber wenn man ungestört bleiben will, stellt man zusätzlich Wachen auf. So ganz verstehe ich das alles nicht.«
»Gehen wir runter«, forderte Jacko. »Wir haben den Überraschungseffekt auf unserer Seite. Mit den Bruderschaftlern werden wir fertig!« Victor forschte in Jackos Gesicht. Seit geraumer Zeit überließ Jacko die endgültigen Entscheidungen ihm, obwohl er der bei weitem erfahrenere Kämpfer war. Möglicherweise, weil Victor so etwas wie der Shabib war – der Ehemann der Shaba. Diesen Titel trug er zwar nicht wirklich, und er hatte auch keinerlei Befehlsgewalt über irgendjemanden, trotzdem galt seit seiner Heirat sein Wort anscheinend mehr. Was Jacko anging, war Victor das nur recht, denn so konnte er besser auf ihn achten.
Jacko befand sich in einer Krise, dieser große, beeindruckende Mann, das war unübersehbar. Victor erinnerte sich an Jadkos überlegenes, weltmännisches Auftreten, damals in dem Räubergasthof bei Tharul, als er und Leandra ihn kennen gelernt hatten.
Heute
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