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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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Ein Wunder, dass er noch lebte.
»Dann… hat sich die Tür also wieder geöffnet?«, forschte der
Alte.
Wieder erschauerte Rasnor.
Mit Grausen erinnerte er sich an seinen letzten Besuch in den
geheimen Verliesen der Bruderschaft von Yoor.
Prior Septos hatte ihn gebeten, tief in den Kellern nach dem
Rechten zu sehen, wo die Alchimisten die Leiche seines Vorgängers Chast aufgebahrt hatten. Dort unten, am Grunde eines
schrecklichen, uralten Kellerlabyrinths, hatte der verfluchte
Leichnam keine Ruhe geben wollen, ja – er hatte sich sogar erneut erhoben, nachdem Rasnor versucht hatte, ihn in seinen steinernen Sarkophag zu sperren.
Als Rasnor damals aus der Tiefe zurückgekehrt war, hatte er
sich geschworen, niemals wieder dort hinabzusteigen. Nie zuvor
hatte ihn etwas so erschreckt und ihn so viele Nerven gekostet
wie jene Nacht, in der er dort unten diese Tür entdeckt hatte.
Die Tür, die noch tiefer hinabführte.
Nun war er doch wieder hier.
Schon damals hatte etwas tief in seinem Inneren gewusst, dass
er wiederkommen würde, und jetzt hockte er in der niedrigen,
stinkenden Kammer dieses Alten und fragte ihn abermals nach
Wegen, mehr über die Geheimnisse zu erfahren, denen sich einst
Chast wie auch viele seiner Vorgänger bis hin zu Sardin verschrieben hatten.
»Ja«, flüsterte Rasnor, »ich habe die Tür gesehen. Und auch die
Schnitzereien. Die Reliefs in den Wänden.
Wohin führt das alles?«
Diesmal kicherte der Alte nicht, und das war beinahe noch beängstigender. »Du weißt es«, zischelte er. »Und du kennst auch
den Preis. Du weißt, was es kostet, die Geheimnisse der Alten zu
erfahren.«
Ja, das wusste er.
Ober besser: er ahnte es. Es war der Preis, den man für die
Macht zahlen musste. Aber er hatte sich schon früh entschieden.
Er besann sich zurück auf den Tag, da er erstmals den Verlockungen der Macht nachgegeben hatte. Seine Ernennung zum Leitenden Skriptor der Bibliotheken von Torgard war eher ein Zufall
gewesen, doch an diesem Tag hatte er zum ersten Mal den Geschmack der Macht auf der Zunge verspürt. Acht oder zehn Leute
hatten ihm unterstanden, unter ihnen der Verräter Victor, der
spätere Ehemann der Shaba, der sich unter falschem Namen in
die Bruderschaft eingeschlichen hatte. Es war geradezu bezeichnend, wie sich damals ihre Wege geschieden hatten: Rasnor hatte
die Gelegenheit genutzt, zum Erzquästor der Duuma ernannt zu
werden, einer von Chast neu gegründeten Polizei innerhalb der
Bruderschaft, die damals ihre Blütezeit erlebt hatte. Dies war der
erste wirklich große Machtgewinn für ihn gewesen, und seither
hatte ihn die Sucht nicht mehr losgelassen. Victor hingegen hatte
sich für die andere Seite entschieden: Er war mit dieser kleinen
Schlampe Roya geflohen, um den Pakt zu finden und die Bruderschaft zu Fall zu bringen.
Heute, nachdem sich die Dinge völlig anders entwickelt hatten,
verfügten sie beide über eine gewisse Macht. Während Victor jedoch nur das lächerliche Anhängsel seiner Frau, der Shaba, war
und sein ganzer Einfluss darin bestand, mit den Gildenmeistern
und Handelsherren von Savalgor zähe Verhandlungen führen zu
dürfen, stand er, Rasnor, an der Schwelle zu etwas wirklich Großem, etwas Gewaltigem. Er hätte sogar ohne diese abstoßenden
Geheimnisse von Hegmafor weitermachen können; mit Ötzlis Plänen und dem, was er sich selbst noch ausgedacht hatte, würde er
bald tausendfach mehr in Händen halten als je zuvor.
Nein, korrigierte er sich, das hätte ich nicht. Etwas war geschehen, er wusste nicht genau, wann, er wusste nur, dass es mit der
Tiefe zusammenhing, diesem entsetzlichen Ort dort unten in den
Kellern, wo er auf ihn wartete.
Als ihn das Verlangen packen wollte, von hier zu fliehen, wie er
es schon einmal getan hatte, kam zugleich auch der Zorn zurück.
Dieser verfluchte Zorn, der sich in seinem Herzen festgefressen
hatte und der ihn nicht mehr loslassen wollte. Irgendeine Saat
war da aufgegangen, das spürte er, und der einzige Weg für ihn
führte nach vorn. »Ich… ich bin bereit, den Preis zu zahlen«, flüsterte er und bekam Angst vor dem eigenen Mut. »Was muss ich
tun?«
Dieses Mal kicherte der Alte wieder. »Was du tun musst? Geh
den Weg deiner Vorgänger. Steig hinab und wühle – in den Geheimnissen der Alten! Aber sei vorsichtig. Es sind welche darunter, die nicht gelüftet werden wollen! Hüte dich, alte Schatten
aufzuwecken, die weiterschlafen müssen, denn sie würden dich
verbrennen. Und sei darauf

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