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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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standhalten zu können,
die auf ihn zukommen mochten. »Erzähl mir von diesen Legenden«, forderte er. Endlich kicherte der Alte wieder – es war fast
eine Erleichterung. »Anfangs wussten die Menschen nichts über
die Magie. Dann erschien jemand in unserer Welt, der diese Geheimnisse kannte, und verriet sie ihnen. Sie erforschten das
Neuentdeckte, ergründeten die Möglichkeiten, entfesselten dabei
aber oft Grauenvolles.« Die Stimme des Alten nahm einen beschwörenden Ton an, so als hätte er diese Geschichte schon zahllose Male einer Schar von Adepten vorgebetet, in der Hoffnung,
sie vor schrecklichen Gefahren zu warnen. »In dieser alten Zeit
erlangte die Magie einen schlechten Ruf. Und mit ihr die Männer
und Frauen, die sie ausübten. Sie wurden geächtet und gemieden, oft sogar gejagt. Man sagte ihnen Übles nach, beleidigte und
beschimpfte sie. Manche versuchten, ihre guten Absichten unter
Beweis zu stellen, viele aber machten sich das zu Eigen, was man
ihnen nachsagte. Das war damals der Preis, den sie für ihre
Macht bezahlen mussten. Die frühen Magier waren böse, es waren dunkle Männer und Frauen, und sie gaben sich mit den dunklen Seiten der Magie ab. Zu dieser Zeit entstanden finstere Geheimbünde, und in ihnen ersann man die grauenvollsten Dinge,
die du dir nur vorstellen kannst. Wir, die Bruderschaft, sind aus
einem dieser geheimen Zirkel hervorgegangen. Und aus dieser
Zeit stammen auch die uralten Geheimnisse, die du heute zu ergründen suchst.« Plötzlich öffnete der Alte die Augen. Rasnor erbebte, als kleine gelbe Pupillen ihn anfunkelten. »Wehe dir, wenn
du die falschen Dinge erweckst. Du hast keine Vorstellung, womit
die Alten damals hantierten!« Rasnor bemühte sich, ruhig und tief
zu atmen; wenigstens war er ein Stück von der Panik entfernt,
die ihn das letzte Mal noch befallen hatte, als er hier gewesen
war. Doch seine Beherrschtheit trug den unangenehmen Beigeschmack dessen, dass er bereits einen Bund mit dem Wahnsinn
geschlossen hatte. Er erhob sich. »Ich danke dir, Alter«, sagte er
leise. »Du willst es wirklich wagen?«
»Ja. Ich muss. Wünsch mir Glück.«
Ein letztes Mal kicherte der Alte. »Glück? Das ist nichts, was in
der Welt existiert, in die du gehen willst.«
*
    Zwei Tage lang waren sie vor den Drachen nordwärts die Küste
hinauf geflohen, und inzwischen hielt Ullrik das für einen großen
Fehler. Sie saßen schon den ganzen Abend eng nebeneinander
zwischen Büschen am Rand eines kleinen Wäldchens und versuchten den richtigen Moment abzupassen, um aufzubrechen.
    »Richtung Heimat«, flüsterte Ullrik, als er aus ihrem Versteck in
den abendlichen Himmel über Chjant aufsah. »Das war nicht besonders einfallsreich. Wir hätten nach Süden fliehen sollen. Oder
ins Landesinnere.«
    Hellami stieß ein leises Grummeln aus. »Das ist stygisch verseuchtes Land. Da hätten wir womöglich noch schlimmere Dinge
angetroffen als diese Kreuzdrachen.«
    Ullrik enthielt sich einer Antwort. Schlimmeres als zwei Kreuzdrachen, die sie den ganzen Tag lang verfolgten – und sogar
nachts? Im Augenblick konnte er sich nichts vorstellen, was diese
Bestien zu übertreffen vermochte, aber Hellami hatte vielleicht
dennoch Recht.
    Die Monstrositäten, die eine stygische Verseuchung hervorbringen konnte, waren legendär. Erdhörnchen mit zwei Köpfen, so
groß wie ein Haus, giftiges Gras, das nach einem grapschte, oder
unsichtbare Löcher, durch die man ins Nichts fallen konnte. Es
gab zahllose Geschichten über Beobachtungen und Angriffe; viele
davon waren erlogen, manche aber mit Sicherheit wahr. Im Reich
von Chjant, das über tausend kleine Eilande zählte, gab es nur
wenige Inseln, die völlig frei von diesen stygischen Phänomenen
waren, und nur ein paar Dutzend Dörfer und Städte auf den größeren Inseln, die sich auf sicherem Gebiet befanden.
    Eine davon zu erreichen war ihr Ziel.
Wovon wir aber noch, weit, weit entfernt sind, dachte Ullrik.
»Ich verstehe nicht, dass diese Kreuzdrachen nachts fliegen
können«, flüsterte Cathryn, die zwischen ihnen kauerte.
Hellami legte ihr beruhigend eine Hand auf den Rücken und
peilte in den Abendhimmel hinaus, der in weniger als einer halben
Stunde der Finsternis der Nacht gewichen sein würde. Sie hatten
den ganzen Tag über nicht gewagt, das Pinienwäldchen zu verlassen. Überhaupt war es ein großes Risiko, sich hier versteckt zu
halten, aber sie hatten in den frühen Morgenstunden, als sie hier
angekommen waren,

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