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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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gefasst, dass dies erst der Anfang ist.
Die Tiefe unter Hegmafor ist nur ein kleiner Vorgeschmack!« Rasnor schwieg. Seine Hände waren kalt, seine Stirn und seine Füße
ebenfalls, obwohl er schwitzte. Das Blut seines Körpers hatte sich
irgendwohin verzogen, an einen Ort, an dem es sein bisschen an
menschlicher Wärme zu bewahren versuchte, und sein Puls war
flach und fahrig. Woher stammten dieses böse, alte Wissen, diese
schwarzen Abgründe, dieses alles verschlingende Grauen, wenn
es nur hier existierte, in der Höhlenwelt? War diese Welt, nur weil
sie ein Ort der Magie war, zugleich ein Refugium des Bösen – und
dabei das Einzige, das es gab? Es würde bedeuten, dass die übrige Welt, der Kosmos und das All dort draußen frei von solchen
Dingen waren. Doch auch das schien nicht zuzutreffen: Die Drakken, der Pusmoh, und wohl im Besonderen die fürchterlichen
Saari, die mordend und brennend das All durchzogen, waren gewiss keine Ausgeburten der Gutartigkeit. Vielleicht würde er ja
dort unten, in der Tiefe, Antworten auf diese Fragen erhalten. Er
würde es wagen müssen, denn er konnte nicht hinnehmen, nur
ein kleiner Handlanger von Altmeister Ötzli zu sein. »Wie kann ich
mich wappnen, Alter?«, wollte er wissen. »Als ich das letzte Mal
dort unten war, bin ich fast gestorben vor Angst. Und dabei habe
ich die Tür nicht einmal angerührt.«
Der Alte schüttelte den Kopf. »Du kannst dich nicht wappnen.«
Seine Augen waren geschlossen; hier oben, in dieser finsteren
Kammer, in der er zumeist ohne Licht saß, gab es keinen Grund
für ihn, sie geöffnet zu halten. »Du musst dir zu Eigen machen,
was du dort findest. Du musst dich auf die gleiche Seite mit ihm
stellen. Du darfst dich nicht wider den Sturm stemmen, denn er
würde dich zerschmettern. Du musst dich von ihm tragen lassen.« Er legte eine kurze Pause ein. »Aber wenn du zurückkehren
solltest: Komm nicht wieder zu mir!«
Seine Stimme war zu einem Flüstern geworden, und zum ersten
Mal wich der Spott völlig aus ihr und machte einer gewissen Traurigkeit Platz. »Ich war einst ein Wächter der Tiefe. Ich sollte die
unheilvolle Tür bewachen und jeden, der sie dennoch öffnen wollte, fern halten und verjagen. Aber ich wurde zu alt und fand keinen Nachfolger mehr. Nun fehlt es mir an Macht, auch nur eine
Maus davon abzuhalten, dort hinabzusteigen. Ganz abgesehen
davon, dass ich schon seit Jahren hier oben in diesem Turm sitze.
Ein Fluch hindert mich am Sterben, und so muss ich hier auf ewig
sitzen. Aber du, der du nun hinabgehst: Verschließe die Tür hinter
dir. Solltest du den Weg herauf wiederfinden – so finde einen
neuen Wächter. Wenn die Dinge nicht verborgen bleiben, die dort
unten in der Dunkelheit lauern, wird großes Unheil über uns
kommen. Sie geben keine Ruhe, verstehst du?« Rasnor, der flach
atmete und Mühe hatte, seine Brust zu heben und zu senken,
konnte so nicht gehen. »Was ist das Geheimnis der Tiefe, Alter?«,
presste er mit rauer Stimme hervor. »Sag es mir. Woher stammt
dieses boshafte, alte Wissen? Ist die Magie schlecht? Ist sie etwas… Faules, etwas Unnatürliches?«
Der Alte schwieg wieder eine Weile, ehe er antwortete. Er
schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Denn die Magie stammt
nicht von den Menschen. Sie war hier in der Höhlenwelt möglich,
aber anfangs wusste niemand davon. Wahrscheinlich hätte sie
auch nie jemand entdeckt, zu kompliziert und fremdartig sind die
Dinge, die hinter ihr stehen. Jemand anders brachte sie hierher.«
»Jemand anders?«
»Ich weiß nicht, wer es war. Nur die Tiefe kann es dir sagen.
Ich selbst war nie dort unten.«
Rasnor kannte die kurze Geschichte dieser Welt, er wusste um
die nur fünftausend Jahre, die vergangen waren, seit die letzten
überlebenden Menschen der Oberfläche der Welt diese Höhlen
entdeckt und besiedelt hatten. Wer sonst als die Menschen könnte die Magie in die Höhlenwelt gebracht haben? »Was ist das für
eine seltsame Geschichte, Alter?«, fragte er verstört. »Hier war
nie jemand sonst außer uns.«
»Diese Dinge liegen im Dunkel der Vergangenheit verborgen.
Wer kann schon sagen, was vor Tausenden von Jahren war? Es
gibt alte Legenden, die nur wir Wächter je erfuhren, und sie reichen weit, weit zurück. Weiter als irgendwelche Legenden sonst.«
Rasnor, der die ganze Zeit über gekniet hatte, setzte sich endlich.
Er fühlte plötzlich, dass er alles wissen musste, alles, was überhaupt zu erfahren war, um den Dingen

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