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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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strahlende Wasser hellrot
und war von weiß schäumenden Blasenspuren durchsetzt; Azrani
schloss die Augen und versuchte, nach oben zu gelangen. Mehrfach schossen die schwarzen Drachenschlangen durch sie hindurch, und jedes Mal glaubte sie den Wahnsinn, die Mordgier und
zugleich die Anwesenheit grenzenloser Dummheit spüren zu können: eindeutig bei den Jägern, aber noch viel stärker bei den Opfern. Würgend und hustend kämpfte sie sich durch einen schwarzen Strom hereinflutender Leiber und erreichte endlich wieder
den schrägen oberen Tauchgang. Glücklicherweise hatte sich ihre
Körperhülle ihrem Wunsch gefügt, schneller voranzukommen, und
so durchbrach sie nach einer panischen Minute die Wasseroberfläche des vormals so verlockend wirkenden, lang gestreckten Wasserbeckens. Doch das Unheil wollte nicht enden; die Halle war bis
zum Bersten gefüllt mit kleinen, sechsbeinigen Schlangenwesen.
Azrani kletterte mit wild trommelndem Herzen weit vorn aus dem
Becken, während sich neben und hinter ihr die Wesen in atemlosem Wahn ins Wasser stürzten.
»Was tut ihr da?«, schrie sie verzweifelt. »Es ist euer Tod! Ihr
werdet sterben!«
Aber ihre Worte verhallten im Dunkel der Äonen, ungehört von
Tausenden winziger Ohren, vergeblich hinausgeschrien nach so
langer Zeit. Aber sie wären wohl auch nicht wirkungsvoller gewesen, hätte Azrani sie einst, im rechten Moment, gerufen.
Wieder spürte sie etwas.
Es zog sie hinaus, fort aus diesem unterirdischen Loch, und sie
sah den Würfel, der ihr eine andere Richtung weisen wollte. Sie
rannte los, mitten durch die Massen der hereinflutenden Leiber,
die ihr keinen Widerstand boten, dem dahineilenden Würfel nach,
dessen Geschwindigkeit sie doch selbst vorgab.
Ja, sie hatte es gewusst, irgendwo musste es einen Eingang zu
diesem unterirdischen Ort geben; er lag weit hinter dem Säulenmonument im Dunkel der Halle. Sie hatte ihn nicht sehen können,
weil es draußen, an der Oberfläche, ebenfalls dunkel war.
Nun rannte sie die schräge Rampe hinauf, die Platz für alle bot,
die hereinwollten – und es waren noch immer Massen, obwohl
Azrani das Gefühl hatte, dass sie langsam abebbten. Die Wesen
reichten ihr kaum höher als bis zu den Knien.
Dann war sie draußen und sah die nächtliche Dunkelheit in einem weiten Tal, das von steilen Felsflanken umgeben war.
Überall wuselten die kleinen Arbeiterwesen herum, die in Scharen
zur unterirdischen Halle strömten. Unter ihnen befanden sich,
Schafhirten gleich, Gruppen riesenhafter Wesen, die Sechsbeiner.
Am Ende des Tals, auf einem dahinter liegenden Hochplateau,
ragte eine riesige, schlanke Pyramide auf, die wohl sechs Seiten
besaß. Direkt über Azrani, am dunklen Nachthimmel, schien ein
riesiger, dunkelblau schimmernder Mond, in dessen Vordergrund
ein unheimlich glühendes Wolkenschiff stand.
Die gespenstische Botschaft, mit der es das Land und das kleine
Volk überschwemmte, war für Azrani selbst jetzt noch klar und
deutlich zu spüren.
*
    Hatte der Weg hinab bis zu Chasts unheimlicher Grabkammer
Rasnor schon einen Großteil seiner Nerven gekostet, stand er nun
vor der kleinen Tür und wusste nicht, woher er den Mut nehmen
sollte, sie zu öffnen.
    Er fühlte sich, als hätte eine seltsame, trockene Hitze seine
Haut ausgedörrt und die empfindlichen Teile seines Gesichts verbrannt. Seine Lippen waren spröde, das Innere seiner Nase fühlte
sich an wie ausgeglüht, und seine Augenlider waren wie trockenes
Papier. Schlimmer noch, Rasnor fühlte sich, als müsste er ständig
glühend heiße Luft atmen. Auf seiner Stirn stand der Schweiß,
obwohl er sonst fast nie schwitzte, und seine Handrücken fühlten
sich an, als hielte er sie zu nahe an ein loderndes Feuer.
Chasts Grabkammer enthielt ein Licht, das nicht von Rasnors
    Fackel stammte, aber es war nirgends eine Lichtquelle auszumachen. Das Feuer der Fackel führte einen wilden Tanz auf, aber an
den Wänden war kein flackernder Widerschein zu sehen, sondern
nur ein gelblich-rotes Leuchten, das auf widernatürliche Weise
erstarrt zu sein schien. Diesmal erschien ihm die Grabkammer
noch niedriger als beim letzten Mal; die seltsamen Reliefs und
Felszeichnungen waren hingegen verschwunden. Rasnor kannte
die Magie; sie neigte dazu, veränderliche Dinge zu beeinflussen,
aber festes, totes Material wie Stein zu wandeln war eine schwierige Disziplin und nur selten von Erfolg gekrönt. Man konnte Fels
sprengen, ja, aber ihm Gravuren und Reliefs zu verleihen

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