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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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wäre
einem halben Wunder gleichgekommen. Das, was sich hier unten
tat, stammte aus einer ganz anderen Spielart der Magie, einer,
die sogar in Rasnor mehr Angst als Neugierde weckte.
    Komm, kleiner Rasnor, hörte er eine leise, zischende Stimme,
die zugleich im Raum wie auch in seinem Kopf zu vernehmen
war.
    Er erschrak nur wenig, denn er hatte diese Stimme erwartet.
Der Druck aber, der sich ihm zusätzlich auf den Brustkorb legte,
machte ihm das Atmen fast unmöglich.
    »Ch-chast?«, presste er hervor und hob die Fackel, als könnte
er dadurch mehr sehen.
Mit einem Knall flog die kleine Tür auf, krachte gegen die Wand
daneben und zerbarst in tausend Stücke. Prasselnd stoben Splitter durch den Raum. Rasnor hob schützend den Arm vors Gesicht; im nächsten Moment wurde er von einer Druckwelle umgeworfen und stieß ein verzweifeltes Wimmern aus. Als er sich wieder gesammelt hatte, stand, vornübergebeugt, sein ehemaliger
Herr vor ihm. Rasnor rang keuchend nach Luft.
Ein Geräusch, ähnlich dem Gesang aus tausend verdorrten
Kehlen, vermischt mit dem dunklen Brausen eines unsäglichen
Windes, flutete aus dem offenen Türdurchgang in den engen
Raum.
Es war Chast, kein Zweifel, doch mehr als eine vermoderte Leiche war er nicht. Ein erstickender, süßlich-herber Gestank der
Verwesung ging von ihm aus.
»Chast!«, stammelte Rasnor noch einmal.
»Chast! Chast!«, äffte der Angesprochene mit dröhnender und
zugleich seltsam zischender Stimme nach, der ein leiser, untergründiger Ton beigemischt war.
»Darauf kommt es nicht mehr an. Ich bin nicht mehr, kleiner
Rasnor, ich war. Du hingegen…«
Rasnor hielt den Atem an.
Die stinkende Leiche richtete sich auf. Der Ausdruck von Verächtlichkeit war sogar auf den verwesten Zügen seines fauligen
Gesichts zu erkennen. »Ich wollte schon sagen: >Dir stehen ganz
neue Dimensionen offen.< Aber wie ich sehe, bist du nur ein kleiner, zitternder Haufen Elend.« Rasnor nahm allen Mut zusammen
und bemühte sich, rasch auf die Beine zu kommen. Der Gestank
und der Anblick seines Meisters verlangten ihm alle Kraft ab.
»Nein, nein, Meister«, keuchte er, »ich… ich bin nur etwas verwirrt. Bitte zeigt mir…« Binnen Augenblicken schwoll Chasts Leib
zu einer Ekel erregenden, rot geäderten Blase an, auf der sein
früheres Gesicht widerschien – zu äußerster Wut verzerrt. Mit
einem entsetzten Aufschrei wich Rasnor zurück. »Verwirrt?«,
dröhnte Chasts Stimme durch den winzigen Raum, doch sie hallte, als stünden sie in der Cambrischen Basilika. »Du stinkst vor
Angst, du hässlicher Wurm! Ich weiß, was du hier willst! Die Geheimnisse der Alten interessieren dich! Du willst Magien beherrschen, wie man sie vor Jahrtausenden entfesselte, Magien, die
wirklich noch roh waren, roh und brutal, nicht so wie jene, die
heute von den jämmerlichen Kleingeistern gewirkt werden, die
sich die Bruderschaft von Yoor nennen! Man sollte sie zerreißen
für diesen Frevel, ja, selbst ich hatte den Tod verdient für ein
halbes Leben, in dem ich mich mit diesem Namen schmückte,
ohne zu wissen, was er bedeutete!«
Chasts Stimme war so voller Leidenschaft und Hass, dass Rasnor plötzlich wusste, woher das Gefühl stammte, das er spürte,
seit er dieser Grabkammer nahe gekommen war: dieses Gefühl,
bei lebendigem Leib verbrannt zu werden. Es war Chast selbst,
und mit ihm dieser übernatürliche Hass, der ihn erfüllte. Und im
nächsten Moment erkannte Rasnor, dass ihn dieser Hass ebenfalls
schon gepackt hatte. Seit er zum ersten Mal hier unten gewesen
war.
Schwer atmend richtete er sich auf. Als er sich dabei dem grotesken Abbild Chasts näherte, berührte ihn eine seltsame Kraft.
Er glaubte spüren zu können, dass dieser Hass wie ein loderndes, inneres Feuer war, das nicht nur einen Gegner vernichten,
sondern seinen Besitzer auch stärken konnte. Ein Feuer, das einem Kraft, unermessliche Kraft zu geben vermochte – wenn man
es nährte.
Ein bizarres Lächeln glitt über Chasts verfaultes Antlitz, der inzwischen wieder so aussah wie zuvor, wie eine wandelnde Leiche.
»Ah«, raunte er, »du spürst es, nicht wahr?«
Vor Angst zitternd, aber auch von einer inneren Gier erfasst,
nickte Rasnor. »Ja… ja, Meister. Das tue ich.«
»Aber wirst du dieser Kraft auch gewachsen sein?«, donnerte
Chast und breitete die Arme aus. Rasnor wich wieder zurück. »Du
hast sie bereits angewandt! Unwissentlich, dumm und voller Ignoranz! Du hättest die Welt damit vernichten können! Wusstest
du

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