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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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grau geworden. »Jawohl, Hoher Meister.«
*
    Es war ein Gang, den Azrani unter Wasser durchschwamm.
Das Becken der Halle reichte überraschend tief hinab und wurde
dabei unmerklich schmaler. Schräg unten wurde es zu einer Art
Unterwassergang, der hinab ins Unbekannte strebte.
Der Boden war den ganzen Weg über als Treppe gestaltet, mit
riesigen Stufen, während die Wände ebenso wie in der Halle aus
Blöcken des ockerbraunen Steins bestanden. Überall war es hell,
es schien beinahe, als leuchtete das Wasser selbst. Azrani überlegte, ob die großen Sechsbeiner vielleicht Wasserbewohner waren und hier unten lebten.
Sie hatte keine Mühe zu atmen, wobei sie das befremdliche Gefühl berührte, dass sie es ganz einfach nicht musste. Ob sie atmete oder nicht, machte keinen Unterschied. Ihre Körperhülle
war ein Instrument, das ihr die Anwesenheit an jedem Ort gestattete, und der Würfel war ihr Schlüssel, jeden Weg wählen zu können. Es gab viele Dinge, die sie noch nicht verstand, unter anderem das System des Transports, aber dass sie eine Reisende war,
stand für sie inzwischen außer Frage.
Ich muss mich bald auf die Suche nach dem Heimweg machen,
mahnte sie sich, als sie an Marina und Ullrik dachte.
Der Unterwassergang führte tief hinab. Bald schien sich etwas
zu verändern, denn aus der Ferne schräg unter ihr tauchte ein
Rechteck auf. Dort endete der Gang und mündete in eine darunter liegende Unterwasserhalle. Das Licht, das hinauf flutete, blendete Azrani. Sie sah sich nach ihrem Würfel um – er begleitete sie
zuverlässig, wiewohl er im Augenblick kein Licht aussendete. Seine Anwesenheit jedoch beruhigte sie. Er schien eine Bestätigung
für ihre Theorie zu sein. Dort unten, so fühlte sie, wartete eine
Erklärung auf sie – etwas, das sie entdecken sollte. Eine der Erklärungen für die seltsamen Rätsel dieser Welt. Immer tiefer trieb
sie hinab, dann schwebte sie durch die rechteckige Öffnung des
sich verjüngenden Tauchgangs, der nun kaum mehr als zehnmal
zwanzig Schritt breit war. So gelangte sie in eine unterirdische,
vollständig mit Wasser angefüllte Halle von gewaltigen Ausmaßen
– sie musste vier- oder fünfmal so groß sein wie die riesige Halle
mit den drei Säulenpaaren, aus der sie gekommen war. In einem
Kosmos von hellem, türkisgrünem Licht, in dem sie so klein wie
ein Sandkorn war, trieb sie dahin. In weiter Ferne sah sie die
Strukturen gewaltiger Mauern, doch die Mauersteine wirkten winzig. Der Grund befand sich noch mindestens dreihundert Ellen
unter ihr bestand, und soweit sie das erkennen konnte, aus grobem Kies. Dort, wo sie sich im Moment aufhielt, am schräg oben
gelegenen Eingang der Halle, befand sich eine Anzahl von dunklen, kreisrunden Löchern im Mauerwerk. Marina hätte leicht in
eines davon hineintauchen können. Dahinter erweiterte sich der
Tauchgang trichterförmig und vereinte sich mit der stark nach
oben gewölbten Hallendecke.
Die Löcher waren ihr ein wenig unheimlich, und so ließ sie sich
rasch nach unten sinken. Ihre Augen suchten nach etwas Besonderem, nach einem Schrein, einer Unterwasserstadt oder irgendetwas, was den Zweck dieser Halle erklärte. Aber sie fand
nichts. Es gab keinen weiteren Ausgang, sah man einmal von den
Löchern dort oben ab, keine Skulptur, die auf religiöse Zwecke
schließen ließ, und auch kein Gebäude, keinen Tempel. Unschlüssig trieb sie eine Weile dahin und überlegte, was sie tun sollte.
Dann stellte sie fest, dass der Würfel ein Stück unterhalb von
ihr schwebte. Das war ungewöhnlich. Nach einer Weile kam es ihr
so vor, als wollte er ihr eine Richtung weisen. Mit ein paar
Schwimmbewegungen tauchte sie zu ihm hinab, und richtig – er
sank seinerseits tiefer. Es ging also abwärts. Neugierig folgte sie
dem Würfel in die Tiefe.
Der Weg bis zum Grund der Halle war weit, und sie fragte sich,
was dort wohl auf sie warten mochte. Befand sich vielleicht etwas
unter dem Kies? Oder würde etwas geschehen, wenn sie die unteren Bereiche der Halle erreichte? Mutig tauchte sie weiter.
Nach einer Weile, es waren noch immer über hundertfünfzig Ellen bis ganz hinab, beschlich sie ein ungutes Gefühl. Irgendetwas
verbarg sich dort unten, das ihr eine seltsame Unruhe verschaffte. Sie sah nichts als den groben Kies unter sich; ja, Kies hatte
sie es genannt, allerdings wusste sie nicht, von welcher Art er
war. Er wirkte leicht rötlich und bedeckte gleichmäßig den gesamten Boden der Halle, bis in die äußersten

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